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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Schachtel Zigaretten und bot ihm keine an.
    Als wir die Lobby unseres Hotels betraten, lenkte ich ein.
    »Wie wär's, wenn ich dich zu einem Drink einlade?«, sagte ich.
    »Ich muss in mein Zimmer.« »Was ist los mit dir?«
    »Vielleicht sollte ich dich das fragen«, erwiderte er.
    »Marino, ich habe keinen blassen Schimmer, wovon du redest. Lass uns kurz in die Bar gehen und überlegen, wie wir aus dem Schlamassel, in den wir uns gebracht haben, wieder rauskommen.«
    »Ich werde in mein Zimmer gehen. Und ich war es nicht, der uns in diesen Schlamassel gebracht hat.«
    Ich ließ ihn allein in den Aufzug treten und sah zu, wie er mit trotziger Miene hinter den sich schließenden Türen verschwand.
    Ich stieg die lange, mit einem Teppich belegte Treppe hinauf und wurde daran erinnert, wie schlecht das Rauchen für meine Gesundheit war. Ich schloss die Tür zu meinem Zimmer auf und war auf den folgenden Anblick nicht vorbereitet. Kalte Angst ergriff von mir Besitz, als ich zum Faxgerät ging und auf das starrte, was der Chef der Gerichtsmedizin von Philadelphia, Dr. Harston, mir geschickt hatte. Wie gelähmt setzte ich mich aufs Bett.
    Die Lichter der Stadt funkelten hell, das Grand-Marnier-Schild war riesig, und im Cafe de la Paix drängten sich die Leute. Ich nahm mit zitternden Händen die Seiten aus dem Faxgerät, meine Nerven angespannt, als hätte ich eine schreckliche Krankheit. Ich holte drei Fläschchen Scotch aus der Minibar und goss sie in ein Glas. Ich machte mir nicht die Mühe, Eis zu holen.
    Mir war es gleichgültig, ob ich mich am nächsten Tag beschissen fühlen würde, weil ich wusste, dass das sowieso der Fall sein würde. Das erste Blatt war ein Schreiben von Dr. Harston.
    Kay, ich dachte mir, dass Sie eines Tages fragen würden, wenn Sie soweit wären. Lassen Sie mich wissen, wenn Sie weitere Fragen haben. Ich bin für Sie da. Vance Die Zeit kroch dahin, während ich wie betäubt auf dem Bett saß und den Bericht des am Tatort ermittelnden Gerichtsmediziners las, die Beschreibung von Bentons Leiche, was von ihm übrig war, in situ, in dem ausgebrannten Gebäude, in dem er starb.
    Sätze schwebten an meinen Augen vorbei wie Asche. Verkohlter Leichnam mit gebrochenen Handgelenken und fehlende Hände und Schädel weist lamellenförmige abblätternde verbrannte Frakturen auf und verkohlt bis zum Muskelgewebe über Brust und Bauch.
    Das Einschussloch der Kugel in seinem Kopf hatte einen Durchmesser von eins Komma drei Zentimeter, der Knochen war nach innen abgekantet. Sie war hinter dem rechten Ohr eingetreten, hatte strahlenförmige Frakturen verursacht, die in der rechten Felsenbeinregion endeten.
    Er hatte ein kleines Diastema zwischen den oberen Schneidezähnen.
    Ich hatte diesen kleinen Zwischenraum immer geliebt. Er hatte seinem Lächeln etwas Anrührendes gegeben. Ansonsten waren seine Zähne perfekt gewesen, weil seine perfekten Neuengland-Eltern dafür gesorgt hatten, dass er als Kind eine Zahnspange trug. Gebräunt unterhalb und oberhalb der Ränder der Badehose. Er war ohne mich nach Hilton Head gefahren, weil ich zu einem Tatort gerufen worden war. Wenn ich nur Nein gesagt hätte und mit ihm gefahren wäre. Wenn ich mich nur geweigert hätte, den ersten Mordfall einer schrecklichen Serie zu bearbeiten, deren letztes Opfer er sein sollte.
    Nichts von alledem wirkte gefälscht. Das konnte nicht sein. Nur Benton und ich wussten von der fünf Zentimeter langen geraden Narbe auf seinem linken Knie. Er hatte sich in Black Mountain, North Carolina, wo wir uns zum ersten Mal liebten, an Glas geschnitten. Die Narbe war immer ein Symbol ehebrecherischer Liebe gewesen. Wie merkwürdig, dass das Feuer sie verschont hatte, weil nasses Isoliermaterial vom Dach darauf gefallen war.
    Die Narbe schien uns immer an eine Sünde zu erinnern. Und jetzt verwandelte sie seinen Tod in eine Strafe, die darin gipfelte, dass ich mir alles vorstellte, was der Bericht schilderte, weil ich alle diese Dinge gesehen hatte, und die Bilder warfen mich zu Boden, wo ich weinend und seinen Namen murmelnd sitzen blieb.
    Ich hörte das Klopfen an der Tür nicht, bis es zu einem Hämmern wurde.
    »Wer ist da?«, rief ich mit heiserer Stimme.
    »Was ist los mit dir?«, sagte Marino laut vor der Tür.
    Ich stand mit wackligen Beinen auf und verlor fast das Gleichgewicht, als ich ihn hereinließ.
    »Seit fünf Minuten klopfe ich. Herrgott noch mal. Was zum Teufel ist denn los?«
    Ich kehrte ihm den Rücken zu und ging zum

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