Blinder Passagier
Fälle.«
Seine Aufmerksamkeit wanderte meinen Hals hinunter. Ich spürte seinen Blick wie eine Brise, die nur mich streifte, und dann starrte er meine Hände an.
»Gott, sind die stark«, sagte er und griff nach einer. »Die Leiche im Container. Kim Luong. Das sind Ihre Fälle, Kay« -er betrachtete meine Finger, meine Handfläche - »Sie kennen die Details.
Sie wissen, welche Fragen zu stellen sind, wonach Sie suchen müssen. Es ist sinnvoll, dass Sie bei ihr vorbeischauen.«
»Ihr?« Ich entzog ihm meine Hand und fragte mich, wer uns beobachtet hatte.
»Madame Stvan. Ruth Stvan. Die Direktorin der Gerichtsmedizin und Frankreichs ranghöchste Pathologin. Sie kennen sie.«
»Natürlich weiß ich, wer sie ist, aber wir sind uns nie begegnet.«
»Doch, in Genf 1988. Sie ist Schweizerin. Als Sie sie trafen, war sie noch nicht verheiratet. Ihr Mädchenname war Dürrenmatt.«
Er sah mir ins Gesicht, um festzustellen, ob ich mich erinnerte.
Ich tat es nicht.
»Sie waren zusammen in einer Arbeitsgruppe. Plötzlicher Kindstod.« »Und woher wissen Sie das?«
»Es steht in Ihrem Lebenslauf«, sagte er etwas amüsiert.
»In meinem Lebenslauf kommt sie sicherlich nicht vor«, erwiderte ich etwas kleinlaut.
Sein Blick ließ mich nicht los. Ich konnte mich nicht an ihm satt sehen, und das Denken fiel mir schwer.
»Werden Sie zu ihr gehen?«, fragte er. »Es wäre nichts Ungewöhnliches, wenn Sie einer alten Freundin einen Besuch abstatten, wenn Sie schon in Paris sind, und sie hat sich einverstanden erklärt, mit Ihnen zu sprechen. Das ist der wahre Grund, warum Sie hier sind.«
»Nett von Ihnen, dass Sie es mir wenigstens jetzt verraten.« Ich war empört.
»Vielleicht wird es nichts nützen. Vielleicht weiß sie nichts. Vielleicht kann Sie uns nicht weiterhelfen. Aber das glauben wir nicht. Sie ist eine überaus intelligente, moralische Person, die gegen ein System ankämpft, das nicht immer auf der Seite der Gerechtigkeit steht. Vielleicht finden Sie einen Draht zu ihr.«
»Wer zum Teufel glauben Sie eigentlich, dass Sie sind?«, fragte ich. »Glauben sie, Sie können einfach zum Telefon greifen, mich hierher zitieren und mich dann bitten, im Pariser Leichenschauhaus vorbeizugehen, wenn ein verbrecherisches Kartell gerade nicht hinsieht?«
Er erwiderte nichts, sein Blick blieb fest. Die Sonne schien durch das Fenster neben ihm und färbte seine Augen bernsteinfarben wie Tigeraugen.
»Mir ist es scheißegal, ob Sie Interpol sind oder Scotland Yard oder die Königin von England«, sagte ich. »Sie werden mich nicht dazu überreden können, mich oder Dr. Stvan oder Marino in Gefahr zu bringen.«
»Marino wird nicht mit ins Leichenschauhaus gehen.«
»Diese frohe Botschaft werden Sie ihm überbringen müssen.«
»Wenn er Sie begleiten würde, könnte das Verdacht erregen, vor allem weil er sich stets so vorbildlich benimmt«, sagte Talley.
»Außerdem glaube ich nicht, dass er Dr. Stvan sympathisch wäre.«
»Und wenn es Beweise gibt, was dann?«
Er antwortete nicht, und ich wusste warum. , »Sie wollen, dass ich die Beweiskette manipuliere. Sie wollen, dass ich Beweise stehle, nicht wahr? Ich weiß nicht, wie man so was hier nennt, aber in den Vereinigten Staaten ist es eine Straftat.«
»Manipulation und Fälschung von Beweisen nennt man es gemäß dem neuen Strafrecht. Dreihunderttausend Francs Strafe, drei Jahre Gefängnis. Wenn man Sie wirklich drankrie-gen würde, könnte man Sie möglicherweise noch der Störung der Totenruhe anklagen, das sind weitere hunderttausend Francs und noch ein Jahr im Gefängnis.«
Ich schob meinen Stuhl zurück.
»Ich muss sagen, es kommt nicht häufig vor, dass ich von einem FBI-Beamten gebeten werde, das Gesetz zu brechen.«
»Ich bitte Sie nicht darum. Dies ist eine Angelegenheit ausschließlich zwischen Ihnen und Dr. Stvan.«
Ich stand auf und hörte nicht mehr zu.
»Sie mögen Jura studiert haben, aber das habe ich auch«, sagte ich. »Vielleicht kennen Sie das Strafrecht, aber ich weiß, was es bedeutet.«
Er rührte sich nicht. Mir klopfte das Herz bis zum Hals, und die Sonne schien mir so hell ins Gesicht, dass ich nichts sehen konnte.
»Mein halbes Leben lang diene ich dem Gesetz, der Wissenschaft und der Medizin«, fuhr ich fort. »Und Sie haben Ihr halbes Leben mit nichts weiter zugebracht, als es in Ihrer elitären Welt durch die Pubertät zu schaffen, Agent Talley.«
»Es wird Ihnen nichts Schlimmes passieren«, erwiderte Talley gelassen, als hätte
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