Blinder Passagier
ihr wären.«
»Falls sie mir doch nicht vertrauen sollte.«
»Ich wusste, dass sie Ihnen vertrauen würde.«
»Verstehe. Ich habe meine Mission also erfüllt.«
»Warum sind Sie so ärgerlich über mich?«, fragte er.
»Weil Sie so überheblich sind.«
»Das ist nicht meine Absicht«, sagte er. »Ich will nur diesen Werwolf-Freak dingfest machen, bevor er wieder jemanden tötet und verstümmelt. Ich will wissen, was ihn ticken lässt.«
»Angst und Scheu«, sagte ich. »Leiden und Wut, weil er für etwas bestraft wurde, wofür er nichts konnte. Er litt allein. Und er ist intelligent genug, um das alles zu begreifen.«
»Am meisten sollte er seine Mutter hassen«, sagte Talley. »Vielleicht gibt er sogar ihr die Schuld.«
Sonnenlicht ließ sein Haar schimmern wie Ebenholz und fleckte die Ränder seiner Pupillen mit Gold. Ich sah seine Gefühle, bevor er sie wieder in ihr Versteck scheuchen konnte. Ich stand auf und schaute aus dem Fenster, weil ich ihn nicht ansehen wollte.
»Er muss die Frauen, denen er begegnet, hassen«, sagte Talley.
»Frauen, die er nie haben kann. Frauen, die vor Entsetzen schreien, wenn sie ihn oder seinen Körper sehen.«
»Am meisten hasst er sich selbst«, sagte ich.
»Ich an seiner Stelle täte es.«
»Sie haben unsere Reise bezahlt, nicht wahr, Jay?«
Er stand auf und lehnte sich gegen den Fensterrahmen.
»Nicht irgendeine große Firma, die diesem Hundertfünfund-sechziger-Kartell das Handwerk legen will«, fuhr ich fort und sah ihn an.
»Sie haben Dr. Stvan und mich zusammengebracht. Sie haben alles ermöglicht. Sie haben alles organisiert und dafür bezahlt.«, sagte ich, und je überzeugter ich davon wurde, desto größer wurde mein Unglauben. »Sie konnten das tun, weil Sie sehr reich sind. Weil Ihre Familie sehr reich ist. Deswegen haben Sie die Verbrechensbekämpfung als Beruf gewählt, stimmt's? Um nicht mehr reich zu sein. Und doch verhalten Sie sich und sehen aus wie jemand, der sehr reich ist.«
Einen Augenblick lang schien er verletzlich.
»Sie mögen es nicht, wenn nicht Sie es sind, der die Fragen stellt, nicht wahr?«, sagte ich.
»Es stimmt, ich wollte nicht wie mein Vater sein. Princeton, Clubs, in die richtige Familie heiraten, Kinder, alles, wie es sich gehört.«
Wir standen jetzt nebeneinander und blickten auf die Straße hinunter, als würde vor unserem Fenster etwas Interessantes passieren.
»Ich glaube nicht, dass Sie sich wirklich gegen Ihren Vater aufgelehnt haben«, sagte ich. »Sie halten sich selbst zum Narren, indem Sie sich konträr verhalten. Sicher, einen Polizeiausweis zu haben und eine Waffe und einen Ohrring zu tragen ist konträr, wenn man in Harvard war und Millionär ist.«
»Warum erzählen Sie mir das?«
Er wandte sich mir zu, und wir standen so nahe beieinander, dass ich sein Aftershave riechen und seinen Atem spüren konnte.
»Weil ich morgen früh nicht aufwachen und feststellen will, dass ich Teil des konträren Drehbuchs bin, das Sie sich ausgedacht haben. Ich will nicht glauben müssen, dass ich das Gesetz gebrochen habe und jeden Eid, den ich in meinem Leben geschworen habe, nur weil Sie ein verwöhnter reicher Junge sind, dessen Idee von Konträr-Sein darin besteht, jemanden wie mich dazu zu ermutigen, etwas so Konträres zu tun, dass es meine Karriere ruinieren könnte. Was von meiner Karriere noch übrig ist. Und wofür ich vielleicht in einem verdammten französischen Gefängnis lande.«
»Ich würde Sie besuchen.«
»Das ist nicht komisch.«
»Ich bin nicht verwöhnt, Kay.«
Ich dachte an das Bitte-nicht-stören-Schild und die verriegelte Tür. Ich berührte seinen Hals und fuhr mit dem Finger an seinem starken Kinn entlang, dann zu seinem Mund. Ich hatte seit über einem Jahr nicht mehr den Bart eines Mannes auf meiner Haut gespürt. Ich fasste sein Gesicht mit beiden Händen und schob meine Finger durch sein dichtes Haar. Es war warm von der Sonne, und er sah mir in die Augen, wartete, was ich als Nächstes tun würde.
Ich zog ihn an mich. Ich küsste und berührte ihn aggressiv, fuhr mit den Händen über seinen harten perfekten Körper, während er mit meinen Kleidern kämpfte.
»Gott, bist du schön«, sagte er in meinen Mund. »Du hast mich in den Wahnsinn getrieben!« Er riss einen Knopf ab und verbog Haken. »Ich musste vor dem Generalsekretär herumsitzen und durfte dir nicht auf die Brüste starren.«
Er nahm sie in die Hände. Ich wollte es roh und grenzenlos. Ich wollte, dass die
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