Blinder Passagier
hohem Glutengehalt.
»Die Münzen, die wir gefunden haben, sind englisch und deutsch«, sagte er. »Zwei Pfund und eine Deutsche Mark. Und da wird es echt interessant. Ich war noch etwas länger im Hafen als du, habe geduscht und so weiter. Und übrigens, die haben keine Zeit damit verschwendet, die Kartons im Container zu sortieren und sauber zu machen. Die werden das Kamerazeugs verkaufen, als wär nichts passiert.«
Ich vermischte ein halbes Päckchen Hefe, warmes Wasser und etwas Honig in einer Schüssel und nahm dann das Mehl.
»Ich sterbe vor Hunger.«
Sein Funkgerät stand aufrecht aus dem Tisch. Er riss sich die Krawatte vom Hals und nahm seinen Dienstgürtel mit der gesamten Ausrüstung ab. Ich begann, den Teig zu kneten.
»Mein unterer Rücken bringt mich um, Doc«, beklagte er sich.
»Kannst du dir vorstellen, was es heißt, zwanzig Pfund Scheiße um die Hüften zu tragen?«
Seine Stimmung schien sich beträchtlich zu bessern, während er mir dabei zusah, wie ich Mehl verstäubte und den Teig knetete.
»Ein loup-garou ist ein Werwolf«, sagte ich. »Was?«
»Ein Wolfsmann.«
»Scheiße, ich hasse solche Sachen.«
»Ich wusste nicht, dass du schon mal einem begegnet bist.«
»Erinnerst du dich an Lon Chaney, dem überall im Gesicht Haare wuchsen, wenn der Mond rauskam? Hat mich zu Tode erschreckt. Rocky hat immer Shock Theater gesehen, erinnerst du dich?«
Rocky war Marinos einziges Kind, ein Sohn, den ich nicht kannte. Ich legte den Teig in eine Schüssel und bedeckte ihn mit einem warmen feuchten Tuch.
»Hörst du manchmal von ihm?«, fragte ich vorsichtig. »Was ist mit Weihnachten? Wirst du ihn sehen?«
Marino stippte nervös Asche ab.
»Weißt du überhaupt, wo er lebt?«, fragte ich.
»Ja«, sagte er. »Teufel noch mal, ja.«
»Du tust so, als könntest du ihn nicht ausstehen«, sagte ich.
»Vielleicht ist es ja so.«
Ich suchte im Weinregal nach einer guten Flasche Rotwein. Marino inhalierte Rauch und atmete laut aus. Er hatte nicht mehr über Rocky zu sagen als sonst auch.
»Eines Tages wirst du mit mir über ihn reden«, sagte ich, während ich die Tomaten in eine Schüssel schüttete.
»Du weißt genug über ihn«, sagte er.
»Du liebst ihn, Marino.«
»Ich sage dir, ich liebe ihn nicht. Ich wünschte, er wäre nie geboren. Ich wünschte, ich hätte ihn nie gekannt.«
Er starrte aus dem Fenster in meinen Garten hinaus, der langsam in der Dämmerung versank. In diesem Augenblick schien es mir, als würde ich Marino überhaupt nicht kennen. Er war ein Fremder, dieser Mann in Uniform, der einen Sohn hatte, dem ich nie begegnet war und über den ich nichts wusste. Als ich eine Tasse Kaffee vor ihn stellte, sah er mir weder in die Augen, noch bedankte er sich.
»Wie wär's mit Erdnüssen oder dergleichen?«, fragte ich ihn.
»Nee«, sagte er. »Ich denke daran, eine Diät zu machen.«
»Daran zu denken hilft nicht viel. Das ist wissenschaftlich bewiesen.«
»Willst du Knoblauch um den Hals tragen, wenn du unseren toten Werwolf obduzierst? Du weißt doch, wenn du von einem gebissen wirst, wirst du selbst auch einer. Ähnlich wie bei Aids.«
»Das hat nichts mit Aids zu tun, und ich wünschte, du würdest endlich von deinem Aids-Trip runterkommen.«
»Meinst du, dass er das selbst auf die Schachtel geschrieben hat?«
»Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass die Schachtel und das, was drauf steht, irgendetwas mit ihm zu tun hat, Marino.«
»Gute Reise, Werwolf. Na klar, das steht ständig auf Kameraschachteln. Vor allem wenn sie neben Leichen stehen.«
»Lass uns lieber über Bray und deine neuen Kleider reden«, sagte ich. »Fang von vorne an. Was hast du getan, dass sie so ein Fan von dir wurde?«
»Es fing an ungefähr zwei Wochen, nachdem sie hier aufkreuzte. Erinnerst du dich an den Selbstmord durch autoerotisches Aufhängen?«
»Ja.«
»Sie taucht einfach auf, platzt herein und fängt an, den Leuten zu sagen, was sie tun sollen, als wäre sie der Detective. Sie besieht sich die Pornohefte, mit denen sich der Typ vergnügt hat, als er sich in seiner Ledermaske erhängte. Sie stellt seiner Frau Fragen.«
»Wow!«
»Ich sage ihr, dass sie verschwinden soll, dass sie im Weg ist und alles vermasselt, und am nächsten Tag bestellt sie mich in ihr Büro. Ich dachte mir, dass sie mich wegen der Sache fertig machen will, aber darüber verliert sie kein Wort. Stattdessen fragt sie mich, was ich von der Kriminalpolizei halte.«
Er trank einen Schluck Kaffee und
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