Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
mir verglich oder ob sie etwas taxierte, was sie eines Tages vielleicht haben wollte.
    »Lassen Sie ihn in Ruhe«, sagte ich. »Sie wollen seine Lebensgeister abwürgen. Darum geht es Ihnen. Weil Sie ihn nicht kontrollieren können.«
    »Niemand hat ihn je kontrollieren können«, entgegnete sie.
    »Deswegen wurde er mir gegeben.«
    »Ihnen gegeben?«
    »Detective Anderson ist junges Blut. Gott weiß, das Morddezernat hat junges Blut nötig.«
    »Detective Anderson ist unfähig, unerfahren und feige«, erwiderte ich.
    »Angesichts Ihres Erfahrungsschatzes wird es Ihnen doch möglich sein, eine Anfängerin zu tolerieren und anzuleiten, Kay?«
    »Man kann niemandem etwas beibringen, der sich nicht für seinen Beruf interessiert.«
    »Ich vermute, das stammt von Marino. Laut Marino ist niemand fähig, erfahren oder interessiert genug, um zu tun, was er tut.«
    Ich hatte genug von ihr. Ich änderte meine Position so, dass ich voll vom Richtungswechsel des Windes profitieren konnte, und trat näher an sie heran, um ihr eine Dosis Realität unter die Nase zu reiben.
    »Machen Sie das nie wieder mit mir, Chief Bray«, sagte ich.
    »Rufen Sie nie wieder mich oder jemand anders aus meinem Büro zu einem Tatort, wo wir uns dann mit einem Idioten rumschlagen müssen, der nicht in der Lage ist, Beweismaterial sicherzustellen. Und nennen Sie mich nicht Kay.«
    Sie wich vor meiner stinkenden Gestalt zurück, aber erst nachdem sie merklich zusammengezuckt war.
    »Lassen Sie uns einmal zusammen Mittag essen.« Damit entließ sie mich und winkte ihrem Fahrer.
    »Simmons? Um wie viel Uhr habe ich den nächsten Termin?«, fragte sie, während sie zu dem Schiff hinaufstarrte und die viele Aufmerksamkeit genoss.
    Sie hatte eine verführerische Art, ihre untere Lendenwirbelsäule zu massieren oder mit zurückgeworfenen Schultern ihre Hände in die Gesäßtaschen ihrer Uniformhose zu schieben oder geistesabwesend ihre Krawatte über dem steilen Abhang ihres Busens glatt zu streichen.
    Simmons sah gut aus und war gut gebaut, und als er ein gefaltetes Blatt Papier herauszog, zitterte es in seiner Hand. Sie trat näher zu ihm, und er räusperte sich.
    »Um viertel nach zwei, Chief«, sagte er.
    »Lassen Sie mich sehen.« Sie neigte sich zu ihm, dabei streifte sie seinen Arm. Sie ließ sich Zeit mit dem Studium ihres Terminplans, dann jammerte sie: »Oh Gott! Nicht schon wieder dieser Idiot vom Schulamt!«
    Officer Simmons verlagerte das Gewicht, und eine Schweißperle lief an seiner Schläfe herunter. Er wirkte verängstigt.
    »Rufen Sie ihn an und sagen Sie ab«, sagte Bray.
    »Ja, Chief.«
    »Oder ich weiß nicht. Vielleicht sollte ich die Termine umstellen.«
    Sie nahm ihm das Blatt aus der Hand, streifte dabei seinen Körper wie eine träge Katze, und ich erschrak über die Wut, die in Andersons Gesicht aufblitzte. Auf dem Weg zu meinem Wagen holte mich Marino ein.
    »Hast du mitgekriegt, was für eine Show sie abzieht?«, fragte er.
    »Das war nicht zu übersehen.«
    »Glaub bloß nicht, dass nicht darüber geredet wird. Ich sage dir, diese läufige Hündin ist das reinste Gift.« »Kennt man ihre Geschichte?«
    Marino zuckte die Achseln. »Sie war nie verheiratet, niemand ist gut genug für sie. Vögelt vermutlich mit einflussreichen verheirateten Typen herum. Ihr geht es nur um Macht, Doc. Gerüchteweise will sie die nächste Ministerin für Öffentliche Sicherheit werden, damit jeder Bulle in ganz Virginia ihr in den hübschen Arsch kriechen muss.«
    »Soweit wird es nie kommen.«
    »Sei dir da nicht so sicher. Wie ich höre, hat sie Freunde an hohen Stellen, Verbindungen zur Regierung von Virginia, was unter anderem der Grund ist, weshalb sie uns vor die Nase gesetzt wurde. Sie hat einen Plan, daran gibt's keinen Zweifel. Schlangen wie sie haben immer einen Plan.«
    Ich öffnete den Kofferraum, erschöpft und deprimiert, als das erste Trauma dieses Tages mich erneut einholte und mit solcher Wucht traf, dass es mich gegen den Wagen zu schleudern schien.
    »Du wirst ihn dir heute Abend nicht mehr vornehmen, oder?«, fragte Marino.
    »Ganz bestimmt nicht«, murmelte ich. »Es wäre ihm gegenüber nicht fair.«
    Marino sah mich fragend an. Ich spürte, dass er mich nicht aus den Augen ließ, als ich den Overall und die Überschuhe auszog und alles in zwei Plastiktüten verstaute.
    »Marino, bitte gib mir eine von deinen Zigaretten.«
    »Ich kann nicht glauben, dass du wieder damit angefangen hast.«
    »In der Halle lagern ungefähr

Weitere Kostenlose Bücher