Blinder Passagier
fünfzig Millionen Tonnen Tabak.
Der Geruch hat mich drauf gebracht.« »Ich hab was anderes gerochen.«
»Erzähl mir, was los ist«, sagte ich, als er mir sein Feuerzeug hinhielt.
»Du hast gesehen, was los ist. Sie hat es dir bestimmt erklärt.«
»Ja, das hat sie. Und ich verstehe es nicht. Sie ist zuständig für die uniformierten Einsatzkräfte, nicht für die ermittelnden Beamten. Sie behauptet, niemand könnte dich kontrollieren, deswegen hat sie beschlossen, sich selbst des Problems anzunehmen. Warum? Als sie hier anfing, warst du ihr nicht mal zugeordnet. Warum liegt ihr so viel an dir?«
»Vielleicht findet sie mich süß.«
»Das wird's sein«, sagte ich.
Er stieß Rauch aus, als würde er Kerzen auf einem Geburtstagskuchen ausblasen, und blickte hinunter auf sein T-Shirt, als hätte er vergessen, dass er es anhatte. Seine großen dicken Hände waren noch bedeckt mit dem Talkumpuder aus den Latexhandschuhen, und zuerst schien er einsam und niedergeschlagen, dann wurde er wieder zynisch und indifferent.
»Weißt du«, sagte er, »wenn ich wollte, könnte ich in Pension gehen mit vierzigtausend Dollar im Jahr.«
»Komm zu mir zum Abendessen, Marino.«
»Dazu käme noch, was ich als Sicherheitsberater oder so verdienen würde, und damit könnte ich ganz gut leben. Müsste nicht mehr Tag für Tag diese Scheiße umgraben, aus der diese kleinen Maden kriechen, die meinen, sie hätten die Weisheit mit Löffeln gefressen.«
»Ich wurde gebeten, dich einzuladen.«
»Vom wem?«, fragte er misstrauisch.
»Das wirst du erfahren, wenn du kommst.«
»Was soll das jetzt wieder heißen?«, fragte er und sah mich finster an.
»Um Himmels willen, Marino, geh duschen und zieh was anderes an, damit die Stadt nicht evakuiert werden muss. Und dann komm. Gegen halb sieben.«
»Also, falls es dir noch nicht aufgefallen ist, Doc, ich bin im Dienst. Die Schicht von drei Uhr nachmittags bis elf Uhr abends diese Woche. Von elf abends bis sieben Uhr morgens nächste Woche. Ich bin der neue Scheißeüberwacher für die ganze verdammte Stadt, und einen Scheißeüberwacher brauchen sie nur dann, wenn alle anderen dienstfrei haben, das heißt für die Abend- und die Nachtschicht und an den Wochenenden, und das heißt, dass ich für den Rest meines Lebens nur noch im Auto Abend essen werde.«
»Du hast ein Funkgerät«, sagte ich ihm. »Ich lebe in der Stadt, deswegen gehört meine Wohnung in deinen Zuständigkeitsbereich. Komm, und wenn du gerufen wirst, dann wirst du eben gerufen.«
Ich stieg in mein Auto und ließ den Motor an.
»Ich weiß nicht«, sagte er.
»Ich bin gebeten worden ... «, sagte ich und spürte erneut Tränen drohen. »Ich wollte dich gerade anrufen, als du mich angerufen hast.«
»Wie bitte? Das ergibt keinen Sinn. Wer hat dich gebeten? Was?
Ist Lucy in der Stadt?«
Er schien sich zu freuen, dass Lucy an ihn gedacht hatte, sollte meine Einladung etwas mit ihr zu tun haben.
»Ich wünschte, sie wäre hier. Bis um halb sieben?«
Er zögerte noch, schlug nach Fliegen und roch entsetzlich.
»Marino, ich möchte wirklich, dass du kommst«, sagte ich und räusperte mich. »Es bedeutet mir sehr viel. Es ist etwas Persönliches und sehr wichtig.«
Es fiel mir ungeheuer schwer, so mit ihm zu sprechen. Nie zuvor hatte ich ihm zu verstehen gegeben, ihn wegen einer persönlichen Sache zu brauchen. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich solche Worte zu jemand anders als Benton gesagt hatte.
»Ich meine es ernst«, fügte ich hinzu.
Marino trat die Zigarette aus, bis sie nur noch ein Tabakfleck und pulverisiertes Papier war. Er zündete sich die nächste an, sein Blick schweifte umher.
»Weißt du, Doc, ich sollte wirklich damit aufhören. Und auch mit dem Wild Turkey. Ich pumpe mich mit dem Zeug voll wie mit gebuttertem Popkorn. Hängt davon ab, was du kochst«, sagte er.
6
Marino zog los eine Dusche suchen, und ich fühlte mich erleichtert, als hätte sich ein schrecklicher Krampf für eine Weile entspannt. Zu Hause angelangt, nahm ich den Plastiksack mit der verschmutzten Kleidung aus dem Kofferraum und setzte das gleiche desinfizierende Ritual in Gang, das ich zeit meines Arbeitslebens vollführte.
In der Garage öffnete ich die Abfallsäcke und warf sie und die Schuhe in ein Becken mit kochendheißem Wasser, Waschmittel und Bleiche. Den Overall legte ich in die Waschmaschine, dann rührte ich mit einer langen hölzernen Gabel in dem Becken mit den Schuhen und Säcken und spülte die Sachen
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