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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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anschließend aus. Die desinfizierten Säcke steckte ich in zwei saubere Säcke, die ich in eine Tonne für biologisch gefährlichen Abfall warf, meine nassen Schuhe stellte ich zum Trocknen in ein Regal.
    Alles, was ich am Leib hatte, von der Jeans bis zur Unterwäsche kam in die Waschmaschine zusammen mit Waschmittel und Bleiche, und dann lief ich nackt durchs Haus und unter die Dusche, wo ich mich von Kopf bis Fuß mit antibakterieller Seife abschrubbte, auch das Innere meiner Ohren und Nase und unter den Finger- und Zehennägeln. Ich putzte mir unter der Dusche die Zähne.
    Ich setzte mich auf einen Sims, ließ mir das Wasser über Nacken und Kopf laufen und dachte daran, wie Bentons Finger meine Sehnen und Muskeln massiert hatten. Sie auftrennte, wie er es nannte. Ihn zu vermissen war wie ein Phantomschmerz. Ich spürte, woran ich mich erinnerte, als würde ich es jetzt spüren, und ich fragte mich, was es brauchen würde, um wieder in der Gegenwart zu leben statt in der Vergangenheit. Der Schmerz ließ nicht nach. Ich klammerte mich an den Verlust, denn alles andere hieße, ihn zu akzeptieren. Das erzählte ich trauernden Familien und Freunden ständig.
    Ich zog Khakis, Slipper und eine blau gestreifte Bluse an und legte Mozart auf. Ich goss die Pflanzen und zupfte vertrocknete Blätter ab. Ich polierte und rückte zurecht, wo immer es notwendig war, und räumte alles weg, was mich an Arbeit erinnerte. Ich rief meine Mutter in Miami an, weil sie Montag abends Bingo spielte, deswegen nicht zu Hause war und ich eine Nachricht hinterlassen konnte. Die Nachrichten schaute ich nicht an, weil ich nicht an das erinnert werden wollte, was ich gerade so mühsam abgespült hatte.
    Ich schenkte mir einen doppelten Scotch ein, ging in mein Arbeitszimmer und knipste das Licht an. Ich betrachtete die Regale voller medizinischer und wissenschaftlicher Bücher, die Encyclopedia Britannica, Handbücher und Nachschlagewerke über Gartengestaltung, Fauna und Flora, Insekten, Steine und Mineralien und Werkzeuge. Ich fand ein französisches Wörterbuch und nahm es mit zu meinem Schreibtisch. Ein loup war ein Wolf, aber unter garou fand sich kein Eintrag. Ich dachte über eine Lösung für dieses Problem nach und verfiel auf eine simple Idee.
    La Petite France war eins der besten Restaurants in der Stadt.
    Zwar war es Montag abends geschlossen, aber ich kannte den Koch und seine Frau sehr gut und rief sie zu Hause an. Er nahm ab und war so herzlich wie immer.
    »Sie kommen gar nicht mehr zu uns«, sagte er. »Wir denken oft an Sie.«
    »Ich bin nicht viel ausgegangen«, erwiderte ich. »Sie arbeiten zu viel, Miss Kay.«
    »Ich brauche Ihre Hilfe bei einer Übersetzung«, sagte ich. »Aber das muss unter uns bleiben. Sie dürfen niemandem ein Wort davon sagen.«
    »Aber natürlich.«
    »Was ist ein loup-garou?«
    »Miss Kay, Sie müssen schlechte Träume haben!«, rief er amüsiert. »Gott sei Dank ist nicht Vollmond. Le loup-garou ist ein Werwolf!«
    Es klingelte an der Tür.
    »In Frankreich wurde man vor hunderten von Jahren gehängt, wenn man als loup-garou galt. Darüber gibt es viele Berichte.«
    Ich blickte auf die Uhr. Es war viertel nach sechs. Marino kam zu früh, und ich war nicht vorbereitet.
    »Danke«, sagte ich zu meinem Freund dem Koch. »Ich werde bald vorbeikommen, ich verspreche es.«
    Wieder klingelte es.
    »Bin schon da«, sagte ich zu Marino in die Gegensprechanlage.
    Ich schaltete die Alarmanlage aus und ließ ihn rein. Seine Uniform war sauber, sein Haar ordentlich gekämmt, und er hatte zu viel Aftershave aufgetragen.
    »Du siehst etwas besser aus als vor ein paar Stunden«, sagte ich zu ihm auf dem Weg in die Küche.
    »Mir scheint, du hast die Bude aufgeräumt«, sagte er, als wir durch das große Zimmer gingen.
    »War auch nötig«, sagte ich.
    In der Küche setzte er sich auf seinen Stammplatz am Tisch neben dem Fenster. Er sah mir neugierig zu, als ich Knoblauch und Instanthefe aus dem Kühlschrank holte.
    »Also, was gibt's zu essen? Kann ich hier rauchen?«
    »Nein.«
    »Du rauchst auch.« »Es ist auch mein Haus.«
    »Wie wär's, wenn ich das Fenster aufmache und den Rauch rausblase?«
    »Kommt drauf an, aus welcher Richtung der Wind weht.« »Wir könnten den Ventilator einschalten, vielleicht hilft das. Ich rieche Knoblauch.«
    »Ich dachte, ich mache Pizza auf dem Grill.«
    Ich schob Schachteln und Gläser in der Vorratskammer beiseite und suchte nach einer Dose Tomatenstücke und nach Mehl mit

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