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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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vollkommen entspannt, als wäre die Welt in bester Ordnung und als gäbe es nichts, weswegen man sich Sorgen machen müsste.
    Er ging vor Ruffin und mir hinein und rief: »Taxi, sitz, Mädchen.« Dann sagte er zu uns: »Keine Angst, sie ist sanfter als Babyshampoo.«
    Ich wusste, mir würde nicht gefallen, was ich im Innern seines Ladens vorfinden würde.
    »Ich wusste nicht, dass Sie jemand mitbringen?«, sagte Pit, und ich sah, dass auch seine Zunge gepierct war. »Wie heißen Sie?«
    »Chuck.«
    »Er ist einer meiner Assistenten«, erklärte ich. »Wenn er irgendwo Platz nehmen kann, wird er warten.«
    Taxi war ein Pitbull, ein braunschwarzer quadratischer Quader aus Muskeln auf vier Beinen.
    »Oh ja.« Pit deutete auf eine Ecke, wo eine Sitzgruppe und ein Fernsehgerät standen. »Wir brauchen ja Platz, wo die Kunden auf ihre Termine warten können. Chuck, bitte. Lassen Sie mich wissen, wenn Sie Wechselgeld für den ColaAutomaten brauchen.«
    »Danke«, sagte Chuck niedergeschlagen.
    Ich mochte nicht, wie Taxi mich anstarrte. Ich würde nie einem Pitbull trauen, gleichgültig wie sehr sein Besitzer auf seiner Sanftmut beharrte. In meinen Augen war die Mischung aus Bulldogge und Terrier eine Frankensteinzüchtung, und ich hatte meinen Teil an zerfleischten Menschen, vor allem Kindern, gesehen.
    »Okay, Taxi, Bauchkraulen«, sagte Pit mit gurrender Stimme.
    Taxi drehte sich auf den Rücken, streckte die Beine in die Luft, ihr Herr ging in die Hocke und begann ihren Bauch zu kraulen.
    »Wissen Sie« - er sah zu Chuck und mir - »diese Hunde sind nicht böse, außer die Besitzer wollen es. Sie sind große Babys.
    Hab ich Recht, Taxi? Ich habe sie Taxi genannt, weil vor einem Jahr ein Taxifahrer hier reinkam und eine Tätowierung wollte.
    Hat gesagt, er wolle einen Pitbullwelpen gegen einen Sensenmann mit dem Namen seiner Frau darunter tauschen. Und das hab ich dann gemacht, nicht wahr, Mädchen? Ist ein Witz, dass sie ein Pit ist und ich auch. Wir sind aber nicht verwandt.«
    Obwohl ich in meiner Laufbahn schon viele höchst seltsame Orte gesehen hatte, war Pits Laden eine Welt, die ich nicht kannte und mir auch nicht hätte vorstellen können. Die Wände waren mit Flash tapeziert, ein Motiv neben dem anderen. Es gab tausende von Indianern, geflügelten Pferden, Drachen, Fischen, Fröschen und kultischen Symbolen, die mir nichts sagten. Pits Sprüche wie Traue niemandem oder Bin dort gewesen, war beschissen hingen überall. Totenschädel aus Plastik grimassierten auf Regalen und Tischen, und Tattoo-Magazine lagen für Unerschrockene herum, damit sie sich die Zeit vertreiben konnten, während sie auf die Nadel warteten.
    Was ich vor kurzem noch als anstößig empfunden hatte, verfügte merkwürdigerweise plötzlich über die Autorität und Wahrheit eines Glaubensbekenntnisses. Leute wie Pit und wahscheinlich der Großteil seiner Kundschaft waren Außenseiter, die sich gegen alles auflehnten, was ihnen das Recht nahm, so zu sein, wie sie sein wollten. Was nicht hierher passte, war das Fleisch des toten Mannes, das ich in einem Glas mitgebracht hatte. Jemand, der Armani und Krokodillederschuhe trug, hatte nichts Abweichendes und gehörte keiner Gegenkultur an.
    »Wie kamen Sie dazu?«, fragte ich Pit.
    Chuck begann, in Tattoo-Magazinen zu blättern, als würde er durch ein Kunstmuseum schlendern. Ich stellte die Tüte auf den Tisch neben die Kasse.
    »Graffiti«, sagte Pit. »Ich hab viel davon in meinen Stil übernommen, so ähnlich wie Grime in San Francisco. Womit ich nicht sagen will, dass ich auch nur annähernd so gut bin wie er.
    Aber wenn man farbige, Graffiti ähnliche Bilder mit den gewagteren Dingen der alten Schule kombiniert, dann komme ich dabei raus.«
    Er tippte mit dem Finger auf ein gerahmtes Foto einer nackten Frau, die durchtrieben lächelte, die Arme provozierend vor der Brust gekreuzt. Auf ihrem Bauch prangte ein Leuchtturm, hinter dem die Sonne unterging.
    »Diese Dame da«, sagte er, »kommt mit ihrem Freund rein, weil er ihr eine Tätowierung zum Geburtstag geschenkt hat. Sie fängt an mit diesem klitzekleinen Schmetterling auf der Hüfte, hat eine Mordsangst. Danach will sie mehr und kommt jede Woche.«
    »Warum?«, fragte ich.
    »Man wird süchtig.«
    »Die meisten Leute wollen mehr als eine Tätowierung?«
    »Die meisten, die nur eine wollen, verstecken sie, so dass man sie nicht sieht. Wie zum Beispiel ein Herz auf einer Pobacke oder einer Brust. Mit anderen Worten, diese Tätowierung hat

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