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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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mir.
    »Warum wollen die Leute den Tod auf dem Körper tragen?«, fragte ich, und Taxi hob den Kopf »Reicht es nicht, dass man mit ihm leben muss? Warum will jemand, dass ihm für den Rest seines Lebens der Tod von seinem Arm entgegenblickt?«
    Pit zuckte die Achseln und schien überhaupt nicht bekümmert, dass ich seine Kunst infrage stellte.
    »Wissen Sie«, sagte er, »wenn man drüber nachdenkt, Doc, gibt es nichts, wovor man Angst haben muss außer Angst. Also lassen sich manche Leute den Tod eintätowieren, damit sie keine Angst mehr vor dem Tod haben. So wie Leute, die Angst vor Schlangen haben, und dann hingehen und im Zoo eine berühren. In gewisser Weise haben auch Sie den Tod jeden Tag vor Augen«, sagte er. »Glauben Sie nicht auch, dass Sie sich mehr davor fürchten würden, wenn Sie ihn nicht jeden Tag sehen würden?« Darauf wusste ich keine Antwort.
    »Sie haben ein Stück Haut von einem Toten dabei und fürchten sich nicht davor«, fuhr er fort. »Aber ein anderer, der reinkommt und das Ding hier sieht, würde vielleicht schreien oder kotzen. Ich bin ja kein Psychologe« - er kaute vehement auf einem Kaugummi herum -, »aber wenn sich einer für immer was in die Haut zeichnen lässt, steckt hinter dem Bild, das er sich aussucht, meist was sehr Wichtiges. Dieser tote Typ zum Beispiel. Die Eule sagt uns etwas über ihn. Was in ihm vorging. Vor allem aber wovor er Angst hatte, was vielleicht mehr damit zu tun hat, was unter der Eule war.«
    »Dann sieht es aber so aus, als hätten viele Ihrer Kunden Angst vor wollüstigen nackten Frauen«, sagte ich.
    Pit kaute, als wollte der Kaugummi ihm aus dem Mund hüpfen, und sinnierte darüber nach, was ich gerade gesagt hatte.
    »Darüber hatte ich noch nicht nachgedacht«, sagte er, »aber es passt. Die meisten Typen mit den Nackedeis haben Angst vor Frauen. Vor den ganzen Emotionen, die da dran hängen.«
    Chuck hatte den Fernseher eingeschaltet und sah Rosie O'Donnell mit leise gedrehtem Ton. Ich hatte tausende von Tätowierungen auf Leichen gesehen, aber nie war mir der Gedanke gekommen, dass sie ein Symbol der Angst sein könnten. Pit tippte auf den Deckel des Glases.
    »Der Typ hatte Angst«, sagte er. »Und, wie es aussieht, hatte er guten Grund.«

23
    Wieder zu Hause, hatte ich gerade genug Zeit, meinen Mantel aufzuhängen und meine Aktentasche abzustellen, als das Telefon klingelte. Es war zwanzig nach acht, und mein erster Gedanke war Lucy. Das Letzte, was ich gehört hatte, war, dass Jo am Wochenende ins MCV verlegt werden sollte.
    Ich hatte Angst und allmählich wurde ich wütend. Gleichgültig, was Verfahrensregeln, Protokoll oder sonstige Bestimmungen vorschrieben, Lucy könnte sich bei mir melden. Sie könnte mich wissen lassen, dass es ihr und Jo gut ging. Sie könnte mir sagen, wo sie sich aufhielt.
    Ich nahm rasch ab und war sowohl überrascht als auch beunruhigt, als ich die Stimme des ehemaligen Deputy Chief Al Carson hörte. Ich wusste, dass er mich nicht anrufen würde, insbesondere nicht zu Hause, wenn es nicht sehr wichtig und die Neuigkeit, die er mir mitzuteilen hatte, nicht sehr schlecht wäre.
    »Ich sollte es eigentlich nicht tun, aber irgendjemand muss es tun«, sagte er sofort. »Im Quik Cary wurde jemand umgebracht.
    Ein kleines Geschäft in der Nähe der Libbie. Wissen Sie, welchen Laden ich meine? Ein kleiner Supermarkt?«
    Er sprach schnell und war nervös. Er klang, als hätte er Angst.
    »Ja«, sagte ich. »Das ist hier in der Nähe.« Ich nahm einen Block zur Hand und machte mir Notizen. »Offenbar ein Raubüberfall. Jemand kam rein, nahm das Geld aus der Kasse und erschoss die Verkäuferin.« Ich dachte an das Video, das ich am Vortag gesehen hatte. »Wann ist das passiert?«, fragte ich.
    »Wir glauben, dass sie vor ungefähr einer Stunde erschossen wurde. Ich rufe selbst an, weil Ihr Büro noch nichts davon weiß.«
    Ich schwieg, wusste nicht recht, was das zu bedeuten hatte. Eigentlich konnte das, was er gerade gesagt hatte, nicht stimmen.
    »Ich habe auch Marino angerufen«, fuhr er fort. »Ich denke, jetzt können sie mir nichts mehr anhaben.«
    Bray beherrschte noch immer die Nachrichten.
    »Sie sagten vorher was über einen Zeugen«, sagte der Reporter zu ihr.
    »Eine Person hat zur mutmaßlichen Tatzeit einen dunkel gekleideten Mann in der Gegend gesehen«, sagte Bray. »Er lief in eine kleine Straße am Ende des Blocks hier. Der Augenzeuge, der sich gemeldet hat, hat ihn nicht gut gesehen. Wir hoffen, dass sich

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