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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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eine spezielle Bedeutung. Oder die Person hat sie sich machen lassen, als sie betrunken war - das gibt's, aber nicht bei mir.
    Wenn jemand nach Alkohol riecht, rühre ich ihn nicht an.«
    »Wenn jemand eine Tätowierung auf dem Rücken hatte, und das war, soweit ich weiß, die einzige, ist die Tätowierung dann von Bedeutung? Mehr als nur ein Mutbeweis oder ein betrunkener Ausrutscher?«, fragte ich.
    »Würde ich sagen. Den Rücken kann man sehen, außer man zieht nie das Hemd aus. Ja, ich würde sagen, sie ist von Bedeutung.«
    Er blickte zu der Tüte auf dem Tisch.
    »Die Tätowierung dort drin stammt also vom Rücken des Mannes«, sagte er.
    »Zwei runde gelbe Punkte, jeder ungefähr so groß wie ein Nadelkopf.«
    Pit stand da und dachte darüber nach, sein Gesicht verzerrt, als hätte er Schmerzen.
    »Haben sie Pupillen wie bei Augen?«, fragte er.
    »Nein«, sagte ich und blickte zu Chuck, um festzustellen, ob er uns hören konnte.
    Er saß auf der Couch und blätterte in den Zeitschriften.
    »Tja«, sagte Pit. »Das ist schwierig. Keine Pupillen. Kann mir nichts ohne Pupillen vorstellen, wenn es ein Tier oder irgendein Vogel sein sollte. Klingt nicht nach Flash. Klingt mehr nach Maßanfertigung.«
    Er machte eine ausholende Geste, als würde er sein Orchester ungeheuerlicher Motive dirigieren.
    »Das hier ist alles Flash«, sagte er, »im Gegensatz zu einer Tätowierung, die ein Künstleroriginal ist, zum Beispiel von Grime.
    Manchen Tattoos sieht man einen bestimmten Stil an. So wie bei Van Gogh oder Picasso. Ich würde zum Beispiel einen Jack Rudy oder einen Tin Tin jederzeit erkennen, die schönsten grauen Arbeiten, die man finden kann.«
    Pit führte mich in einen Raum, der wie das typische Untersuchungszimmer einer Arztpraxis aussah. Darin befanden sich ein Autoklav, ein Ultraschallreinigungsgerät, antibakterielle Seife, Biowrap, Salben, Zungenspatel und Päckchen mit sterilen Nadeln in großen Gläsern. Die Tätowiermaschine sah aus, als könnte sie bei einer Elektrolyse Verwendung finden. Auf einem Wagen standen Spritzflaschen mit Farben und Gefäßen zum Mischen. Im Mittelpunkt von all dem stand ein gynäkologischer Untersuchungsstuhl. Vermutlich erleichterte er die Arbeit an Beinen und anderen Körperteilen, über die ich lieber nicht nachdachte.
    Pit breitete ein Handtuch über einen Tisch, und wir zogen beide Latexhandschuhe an. Er schaltete eine Lampe ein und zog sie nahe heran, während ich den Deckel des Glases abschraubte und der beißende Formalingeruch in meine Nase stieg. Ich griff in die pinkfarbene Flüssigkeit und holte die Haut heraus. Sie fühlte sich gummiartig an, das Gewebe für immer konserviert, und Pit nahm sie mir, ohne zu zögern, aus der Hand und hielt sie ans Licht. Er drehte und wendete sie und betrachtete sie durch eine Lupe.
    »Ja«, sagte er. »Ich sehe die kleinen Dinger. Hm, Krallen, die sich an einem Ast festklammern. Wenn man vom Hintergrund absieht, erkennt man Schwanzfedern.« »Ein Vogel?«
    »Ja, es ist ein Vogel«, sagte er. »Vielleicht eine Eule. Die Augen springen einen an, und ich denke, dass sie eigentlich größer waren. Das sieht man an den Schattierungen. Hier.«
    Ich beugte mich vor, sein behandschuhter Finger bewegte sich über die Haut, als würde er Pinselstriche anbringen.
    »Sehen Sie es?«
    »Nein.«
    »Sie sind ganz schwach. Die Augen sind dunkel umrandet wie die Augen eines Waschbären, irgendwie ungleichmäßig, nicht sehr gekonnt. Jemand hat versucht, sie um einiges zu verkleinern, und da sind Streifen, die von den Umrissen des Vogels ausstrahlen.
    Man übersieht sie, wenn man keine Erfahrung mit diesen Sachen hat, weil alles so dunkel und in miserablem Zustand ist.
    Aber wenn man genau hinschaut, sieht man, dass die Haut dunkler und schwerer um die Augen ist, wenn man sie so nennen will. Ja. Je länger ich das Ding anschaue, desto überzeugter bin ich, dass es eine Eule ist, und die gelben Punkte sind der verunglückte Versuch, sie zu verdecken, indem man sie zu Eulenaugen umgestaltete. Oder zu was Ähnlichem.«
    Ich begann die Streifen zu sehen, die Federn in der dunklen Schattierung, die er beschrieb, und die Art, wie die leuchtend gelben Augen dunkel umrandet waren, als hätte sie jemand verkleinern wollen.
    »Jemand hat was mit gelben Punkten, will es nicht mehr und lässt etwas anderes drüber tätowieren«, sagte Pit. »Da die oberste Hautschicht nicht mehr da ist, ist die zweite Tätowierung - die Eule - so gut wie weg. Vermutlich ist

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