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Blinder Passagier

Blinder Passagier

Titel: Blinder Passagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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die Nadel nicht sehr tief eingedrungen. Aber bei den gelben Punkten hat jemand wirklich tief gestochen. Viel tiefer als nötig, was heißt, dass zwei verschiedene Künstler am Werk waren.«
    Er betrachtete weiterhin das Stück Haut.
    »Eine alte Tätowierung kann man nie wirklich zudecken«, sagte er. »Aber wenn man weiß, was man tut, kann man damit arbeiten, so dass das ursprüngliche Motiv nicht mehr ins Auge springt. Das ist der Trick. Man könnte es fast eine optische Illusion nennen.«
    »Gibt es eine Möglichkeit herauszufinden, wozu die gelben Augen ursprünglich gehörten?«, fragte ich ihn.
    Pit blickte enttäuscht drein und seufzte.
    »Jammerschade, dass das Ding in so schlechtem Zustand ist«, murmelte er, legte die Haut auf ein Handtuch und blinzelte ein paar Mal. »Mann, diese Dämpfe machen einen fertig. Wie arbeiten Sie nur die ganze Zeit mit dem Zeug?«
    »Sehr, sehr vorsichtig«, antwortete ich. »Haben Sie was dagegen, wenn ich Ihr Telefon benutze.«
    »Nur zu.«
    Ich trat hinter den Tisch, ließ Taxi dabei nicht aus den Augen, die sich in ihrem Bett aufgesetzt hatte. Sie starrte mich an, als wollte sie mich davor warnen, eine falsche Bewegung zu machen.
    »Ist schon in Ordnung«, redete ich beruhigend auf sie ein.
    »Pit?
    Ist es okay, wenn ich jemanden anpiepse und ihm Ihre Nummer gebe?«
    »Sie ist kein Geheimnis. Nur zu.«
    »Du bist ein braves Mädchen«, munterte ich Taxi auf.
    Ihre kleinen glanzlosen Augen erinnerten mich an die eines Haifisches, ihr Kopf war gedrungen und dreieckig wie der einer Schlange. Sie sah aus wie ein primitives Wesen, das sich seit Anbeginn der Zeit nicht weiterentwickelt hatte, und ich dachte an die Worte auf der Schachtel, die wir in dem Container gefunden hatten.
    »Könnte es ein Wolf sein?«, fragte ich Pit. »Oder sogar ein Werwolf?«
    Pit seufzte erneut, die schwere Arbeit des letzten Wochenendes hatte dunkle Ringe unter seine Augen gezeichnet.
    »Wölfe sind echt beliebt. Sie wissen schon, der Rudelinstinkt, Einzelgänger«, sagte er. »Schwer einen Wolf mit einem Vogel, einer Eule oder was auch immer zu verdecken.«
    »Ja«, sagte Marino am anderen Ende der Leitung.
    »Mann, es könnte vieles sein«, sprach Pit weiter. »Kojote, Hund, Katze. Was immer ein Fell hat und gelbe Augen ohne Pupillen.
    Müsste aber klein gewesen sein, damit man es mit einer Eule verdecken konnte. Echt klein.«
    »Wer zum Teufel brabbelt da was von einem Fell?«, fragte Marino barsch.
    Ich erzählte ihm, wo ich war und warum, während Pit im Hintergrund weiterredete und auf alle möglichen Flashvorlagen mit Fell an der Wand zeigte.
    »Großartig.« Marino war außer sich. »Warum lässt du dich nicht tätowieren, wenn du schon dort bist?«
    »Ein andermal vielleicht.«
    »Ich kann's nicht fassen, dass du allein in einen TattooLaden gehst. Hast du eine Ahnung, was für Leute dort verkehren? Drogenhändler, Arschlöcher auf Bewährung, Motorradgangs.«
    »Ist schon in Ordnung.«
    »Nein, ist es nicht!«, schrie Marino. Irgendwas hatte ihn aufgebracht, das über meine Anwesenheit in einem TattooLaden hinausging.
    »Was ist los, Marino?«
    »Nichts, außer dass ich vom Dienst suspendiert bin und keinen Pfennig Gehalt kriege.« »Das ist absolut nicht gerechtfertigt«, sagte ich wütend, obwohl ich befürchtet hatte, dass so etwas passieren würde.
    »Bray hält es für gerechtfertigt. Vermutlich habe ich ihr gestern Abend den Appetit verdorben. Sie sagt, wenn ich mir noch einen Fehltritt leiste, bin ich gefeuert. Die gute Nachricht ist, dass es mir großen Spaß macht, darüber nachzudenken, welchen Fehltritt ich mir noch leisten könnte.«
    »He! Ich muss Ihnen was zeigen«, rief mir Pit vom anderen Ende des Raums zu.
    »Wir werden was unternehmen«, versprach ich Marino.
    »Ja.«
    Taxi ließ mich nicht aus den Augen, als ich auflegte und um sie herumging. Ich blickte auf den Flash an der Wand und fühlte mich noch elender. Ich wollte, dass die Tätowierung ein Wolf war, ein kleiner Werwolf, obwohl sie etwas völlig anderes darstellen konnte und es wahrscheinlich auch tat. Ich ertrug es nicht, wenn eine Frage unbeantwortet blieb, wenn Wissenschaft und rationales Denken irgendwo ein Ende fanden.
    Ich fühlte mich so entmutigt und beunruhigt wie selten. Die Wände schienen auf mich zuzurücken, und Tattoo-Motive sprangen mir entgegen wie Dämonen. Von Dolchen durchbohrte Herzen, Totenschädel, Grabsteine, Skelette, Monstertiere und grässliche Ghule tanzten Ringelreihen mit

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