Blinder Rausch - Thriller
»Wartet ihr jetzt noch auf Niklas?«, fragt sie mit rauer Stimme. Sercan nickt. »Er ist schon seit über einer Stunde drin«, erklärt Hanna. In dem Moment sieht Leonie, wie Frederik, Jens und Marcel aus dem Schulhaus kommen. Sie schlendern wie immer lässig und unterhalten sich lachend. Leonie löst sich aus der Gruppe und läuft auf Frederik zu. Das Lachen in seinem Gesicht verwandelt sich in ein gewinnendes Lächeln. Seine schönen Zähne blitzen »Sieh da! Lange nicht gesehen!« Die Art, wie er das sagt, strahlt die Ruhe und Zuversicht aus, nach der sie sich seit Tagen sehnt. Und obwohl in Leonie noch die widerstreitenden Gefühle kämpfen, setzt sie ein ebenso entspanntes Lächeln auf: »Hey, ja, in der Tat, lange nicht gesehen!« Im Augenwinkel bemerkt sie, wie Marcel und Jens sie grinsend mustern. Daher richtet sie sich an alle drei: »Hat euch die Polizei so lange verhört?«
»Nicht verhört, nur befragt. Aber auch nicht sonderlich lange. Wir mussten nur so lange warten, weil es bei anderen länger gedauert hat«, erklärt Frederik und setzt sich in Bewegung Richtung Schultor. »Hast du Lust Pizza essen zu gehen?«, fragt er. Leonie nickt ein wenig zögerlich, doch er legt den Arm um ihre Schultern und schiebt sie einfach mit sich. Leonie sieht, wie Sercan und die anderen die Hälse nach ihr recken.
Am Hoftor angekommen, zieht Frederik klingelnd den Autoschlüssel aus der Tasche. Ein weißes kleines Nobelauto, das am Straßenrand geparkt ist, meldet sich durch Blinkzeichen. Jens und Marcel schwingen sich sofort auf die Rückbank. Frederik schaut zu Leonie, die zögernd vor der Beifahrertür steht. »Komm, steig ein«, ermuntert er sie. Wieder dieses Lächeln. Leonie verzieht schmerzlich das Gesicht »Ich muss dich noch etwas fragen, Frederik. Es ist wichtig für mich!« Sie schaut zu den beiden Mitfahrern. Frederik nickt verstehend. Er öffnet schnell eine Hintertür und ruft: »Aussteigen Leute! Endstation!«
»Hey, was soll das, Alder!«, protestiert Marcel. Doch Jens steht bereits auf dem Gehweg und deutet Marcel mit unmissverständlichen Gesten an, dass seine Meinung momentan nicht gefragt ist. Die beiden trollen sich in Richtung Innenstadt, und Leonie steigt ein. Unterwegs mustert sie Frederik von der Seite. Seine ruhigen, überlegenen Bewegungen beim Lenken des Fahrzeugs lassen auch in ihr eine lange nicht gekannte Ruhe aufsteigen. Ab und zu wendet Frederik sich ihr zu und lächelt sie an. Sie lächelt zufrieden zurück.
Sie sitzen an einem kleinen Tisch unter einem goldgelben Sonnenschirm und teilen sich eine große Pizza. Das milde Licht taucht Frederiks Gesicht in einen zarten Goldschimmer. Der Wind spielt mit ein paar Haarsträhnchen auf seiner Stirn und Leonie spürt plötzlich, dass die Schmetterlinge im Bauch von irgendwoher zurückgekehrt sind, zwar zaghaft noch, aber immerhin! Nachdem Frederik hungrig eine Pizzaecke verschlungen hat, meint er noch kauend: »Du wolltest mir doch etwas Wichtiges sagen. Schieß los!« Leonie muss sich aus der schönen Stimmung reißen und beginnt zögernd: »Ich kann mich an manches von Freitagabend kaum noch erinnern. Ich …« Frederik unterbricht sie lachend: »Na, da bist du bestimmt nicht die Einzige, der es so geht. War schon eine geile Party!« Leonie schüttelt abwehrend und mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf. »Mir fehlen etwa fünf Stunden komplett. Ich hoffe, du kannst mir helfen und mir sagen, was war, nachdem wir in diesen Nebenraum gegangen sind und wie ich von deiner Party nach Hause gekommen bin?«
Frederiks Lächeln verzieht sich zu einem breiten Grinsen. »Immerhin, daran erinnerst du dich, aber kleine Gegenfrage: Hast du asiatische Vorfahren?« »Nein, wieso?«, stammelt sie.
»Weil du keinen Alk verträgst, deshalb! Warst ziemlich schnell dicht.« Er kichert. Leonie wird blass. »Und was habe ich da gemacht?« »Nichts Schlimmes«, lächelt er, »du hast dich zusammengerollt wie ein Hundchen und bist eingeschlafen. Ich dachte, oh, da braucht aber jemand frische Luft und hab dich dann in den Garten getragen und dort auf eine Liege gelegt. Dort bist du gemütlich eingepennt.«
Leonie starrt ihn an und schaut ihm zu, wie er nach einem Pizzastück greift und genüsslich weiterkaut. Die Art, wie er das zelebriert, stimmt sie misstrauisch. Ist er so cool, wie er tut, oder spielt er Theater? Sie kann es nicht einschätzen und vermerkt für sich, dass dies auch erst einmal nicht wichtig ist. Sie muss vielmehr hören, was weiter geschah.
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