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Blinder Rausch - Thriller

Blinder Rausch - Thriller

Titel: Blinder Rausch - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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blickte verwirrt auf und schaute Leonie einen Atemzug lang hinterher. Dann bückte er sich mühsam gegen den Strom der nachdrängenden Schüler, um Teile seines Handys aufzuheben. Schließlich kroch er unbeholfen auf allen vieren und schnappte zwischen den Schülerbeinen nach den Einzelteilen seines Gerätes. Gerade hatte er die dunkle Plastikschale entdeckt und wollte danach greifen, als ein anderer ihm zuvorkam und sie über den glatt gebohnerten Boden davonkickte. Das war Absicht! Sofort begann ein wildes Spiel, an dem sich einige lachend beteiligten. »Hallo, Benny, hier ist noch was! Fang!«, riefen sie und beförderten das Teil durch einen schnellen Fußtritt weiter, wenn Benjamin danach griff.
    Leonie hatte von dem Geschehen hinter ihrem Rücken nichts bemerkt. Sie entdeckte Hanna, wie erwartet, lernend neben der Klassenraumtür. Raum 309, Klasse 9f, Frau Landmann stand auf dem Schild. Auch einige andere Schüler der Klasse waren bereits eingetroffen, unterhielten sich, schrieben auf dem Rücken eines Nachbarn noch schnell Hausaufgaben ab oder schauten mit amüsiertem Grinsen aus der Ferne dem wüsten Spiel zu, dem Benjamin immer noch ausgeliefert war.
    »Ich denke, wir sollten ihn im neuen Schuljahr zum Klassensprecher wählen. Er macht so einen geschmeidigen Eindruck, wie er da über den Untergrund gleitet«, grinste Oliver.
    »Auf jeden Fall sagen wir der Landmann, dass der heute Ordnungsdienst machen soll. So wie der den Boden polieren kann. Das macht ihm keiner nach«, bestätigte Andy.
    Leonie achtete nicht auf die Bemerkungen ihrer Klassenkameraden. Sie war ihrer Freundin um den Hals gefallen, sodass diese nur mit Mühe ihr Heft hatte retten können. »Hanni, Hanni! Ich bin so was von happy! Du glaubst nicht, was mir eben passiert ist!« Die dunkelhaarige Hanna, die etwas kleiner und fülliger war als ihre dünne, langbeinige Freundin, sah unbeeindruckt in Leonies Gesicht. Leonie hatte Hanna bei den Schultern gepackt und schüttelte sie ein wenig, als könnte sie damit deren Miene verändern. »Ich habe eben gerade Harry Higgs gesehen!«, verkündete Leonie laut. Alle wurden still und starrten gebannt in Leonies Richtung. Mindestens die Hälfte der Klasse war am Samstag auf dem großen Harry Higgs Konzert in der Stadthalle gewesen. Die andere Hälfte hatte keine Karten mehr bekommen. Die ganze Stadt war jetzt noch mit seinen Plakaten gepflastert. Jeder hatte Harry-Higgs-Musik auf seinem Handy, manche hatten auch eben gerade noch die Stöpsel im Ohr gehabt und sich im gleichförmigen Takt dieser Ohrwurm verursachenden Mischung aus Techno und Soft Beat bewegt. Harry Higgs’ Texte schienen den Nerv seines Publikums genau zu treffen. In sanftem Rhythmus sang er mit seiner rauchigen Kinderstimme von Null Bock auf Garnichts, nicht erwiderter Liebe oder der Einsamkeit in Hochhausvierteln. Besonders beliebt bei Schülern war sein Text, in dem er die Unfähigkeit und Gefühlskälte von Lehrern beschwor, die ständig darauf versessen waren, ihre Schüler den verordneten Standards anzupassen, anstelle sie als Menschen wahrzunehmen. »Hey, ihr Lehrer, Wissensvermehrer, Existenzvernichter, ich bin euer Richter! Hey, ihr Lehrer, meine Zeit wollt ihr stehlen, hey, ihr lauft Amok gegen un-se-re Seelen!« lautete der Refrain dieses Hits, den alle inzwischen kannten und über den sich manche Lehrer der Schule so entrüsteten, dass sie Harry Higgs am liebsten verboten hätten. Umso mehr Schüler waren inzwischen überzeugte Fans geworden. »Ich hab ihn gesehen!«, wiederholte Leonie noch einmal und drehte sich mit Siegerlächeln in die Runde der Umstehenden. »Klar, auf dem Konzert, wie wir alle!«, brach Oliver als Erster das verblüffte Schweigen. Leonie schüttelte den Kopf. Ihr Lächeln gefror ein wenig. Nicht wegen Olivers Bemerkung, sondern weil Denise inzwischen eingetroffen war. Mit gut geübtem Catwalk war sie im Slalom um Benjamins Handyteile stolziert und hatte sich der Gruppe der Mitschüler angeschlossen. Kühler Blick zu Leonie. Denise stand ganz in ihrer Nähe. Teure Markenjeans. Edler Lederblouson. Leonie konnte das teure Parfum riechen und – noch schlimmer – sehen, dass Denise – wie beiläufig aufgesteckt – eine Harry-Higgs-Sonnenbrille in ihrem goldblonden, mit lila Strähnchen durchzogenen Haar trug. Eine Harry-Higgs-Sonnenbrille. Silbernes Gestell. Türkis verspiegelte Gläser. Marke geschützt. 160 Euro, schoss es Leonie durch den Kopf. Vier Monate Taschengeld. 20-mal Babysitten. Für Leonie

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