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Blinder Rausch - Thriller

Blinder Rausch - Thriller

Titel: Blinder Rausch - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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einigen Stellen von der herabgeworfenen Erde beschmutzt. Auch die zarten Blüten der Blumen sind an manchen Stellen von schmierigen Erdkrumen bedeckt und geben ein Bild vom zarten, zerbrechlichen Leben, das sich stumm der Vernichtung widersetzt und ihr mit jeder weiteren Schaufel Erde preisgegeben ist. Für Leonie ist der Sarg plötzlich aus Glas. Sie sieht Denise dort liegen. Schlafend wie Schneewittchen. Nein, nicht schlafend. Tot. Tot. Tot. Leonie atmet heftig und schluchzt auf. Das hat nicht passieren dürfen! Wer hätte es verhindern können? Sie selbst? Wäre sie an jenem Morgen in der Lage gewesen, nach Denise zu suchen? Nein, sie hatte ja nicht ahnen können, dass sie in ihrer Nähe war. Und sie selbst hat nur Glück gehabt. Auch sie könnte jetzt da unten liegen. Vielleicht stünde dann Denise hier oben. »Denise, wer immer dir das angetan hat, ich will, dass er gefunden wird und gezwungen wird zu sagen, warum!«, flüstert Leonie plötzlich. Dann löst sie ihren Blumenstrauß auf und wirft Stängel für Stängel hinab. Jeder fallenden Blüte schickt sie einen Gedanken hinterher: Denise, ich hätte dir so sehr gewünscht, dass du weiterleben kannst. So, wie ich das kann. Ich bin so dankbar dafür und habe gleichzeitig ein rabenschwarzes Gewissen deswegen. Verzeih mir!
    Dann kommt die schwerste Prüfung. Neben dem Grab stehen aufgereiht Denises Mutter, ein etwa 17-jähriger Junge mit Glatze und Piercings, dessen Gesicht dennoch die weichen kindlichen Züge Denises trägt und der vermutlich ihr Bruder ist. Eine alte Frau mit dünnem weißem Haar, die nicht aufhören kann zu weinen und zu schluchzen: »Es ist schrecklich, wenn die Enkel vor einem gehen«. Leonie gibt Denises Mutter die Hand. Sie fühlt sich kühl, spröde und knöcherig an. »Es tut mir so leid«, flüstert Leonie. Die Frau nickt. Ihr hageres Gesicht ist grau. Sie hat tiefe Kerben auf der Stirn und um die Mundwinkel. In ihren blond gefärbten Haaren wächst ein grau silbriger Scheitel nach. Sie kann doch gar nicht viel älter sein als Mama, denkt Leonie. Die Augen der Frau sind von einem sehr hell leuchtenden Blau. Vielleicht war sie früher einmal sehr hübsch. So wie Denise. Jetzt sind die Augen rot gerändert. Ihr Gesicht ist starr. Sie hat keine Tränen mehr. Als Leonie ihre Hand wieder zurückziehen will, greift die Frau fest zu. Leonie erschrickt über den kalten Krallengriff. Dennoch bleibt sie ruhig stehen. »Du bist doch die Leonie, nicht wahr?«, fragt die Frau mit rauer Stimme. Leonie nickt. »Denise hat mir dein Bild bei MYFRIENDS gezeigt. Sie hat dich immer so bewundert.« »Das kann ich gar nicht glauben«, flüstert Leonie. »Doch, es ist aber so«, bekräftigt Frau Weisel. »Dich und deinen Freund. Wie heißt er noch?«
    »Niklas«, antwortet Leonie. Frau Weisel schüttelt irritiert den Kopf. »Nein, den meine ich nicht. Niklas, das ist doch der, den die Polizei …« Leonie fällt ihr ins Wort. »Niklas war das nicht!« Frau Weisel nickt. »Das sagt die Polizei auch! Aber bei MYFRIENDS sind viele anderer Meinung!« Dann zieht sie Leonie noch näher an sich heran und haucht ihr entgegen: »Weißt du etwas? Wenn du etwas weißt, musst du es sagen!« Leonie schüttelt den Kopf. Der Alkoholdunst lässt Übelkeit in ihr aufsteigen. Sie entwindet sich dem unerbittlichen Griff und läuft schnell davon, vorbei an den Wartenden, die ihr ein wenig erstaunt hinterhersehen. Leonie schlägt einen kleinen Seitenweg ein. Sie will weg von den Menschen. Irgendwie wird sie schon den Ausgang finden. Sie entdeckt einen kleinen Holzpavillon, der als Unterstand bei Regen vorgesehen ist. Dort geht sie hin, zieht die nasse Kapuze zurück und lehnt sich mit dem Rücken gegen einen Holzbalken, der die Dachkonstruktion trägt. Sie starrt hinaus in den Regen. Ob es dort, wo Niklas jetzt ist, auch regnet? Als sie gestern von seiner Freilassung erfuhr, hatte sie ihm gleich eine SMS geschrieben. Hallo Nik, ich bin so happy, dass du wieder frei bist how r u? Seine Antwort war ein Smiley, das gemischte Gefühle ausdrückte. Der eine Mundwinkel war aufgerichtet, der andere herabgezogen. Leonie hatte noch eine SMS geschickt. Machstn du gerade? Die Antwort kam erst eine halbe Stunde später. So was kannte sie von Niklas nicht. Sitze mit Marianne im auto fahrn zu Oma an die nordsee. Somittg wieder da. Leonie spürt noch immer die Enttäuschung in sich. Wie gerne hätte sie mit ihm geredet. RMA hatte sie ihm als SMS gesendet. Doch bis jetzt hat er sich nicht

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