Blinder Rausch - Thriller
dagegen. Sie erstarrt und atmet verzweifelt gegen das Hindernis an. »Pst, Leo, keine Angst, ich bin’s«, raunt ihr jemand ins Ohr. Das ist Niklas! Erleichtert sinken ihre Schultern. Seine Hand löst sich und sie wendet sich langsam um. »Mensch, Nik, ich dachte, du bist da drin!«, wispert sie. »Das hatte ich eigentlich auch vor. Aber irgendetwas stimmt hier nicht.« Das mag Leonie nur zu gern bestätigen und nickt. »Warum bist du überhaupt hier?«, flüstert er. »Weil ich es nicht ausgehalten habe, dich hier alleine hergehen zu lassen«, antwortet sie. Niklas zieht sie fest in die Arme. »Jetzt werde ich erst recht nicht mehr da reingehen«, erklärt er zu Leonies Erleichterung.
»Ich glaube auf dem Nachbargrundstück sitzt Frederik in seinem Auto!«, sagt sie leise und deutet durch die Zweige. Niklas bückt sich und schaut in die angegebene Richtung. »Du meinst, der Fahrer des Wagens ist Frederik? Den habe ich gar nicht erkannt«, erklärt Niklas. »Hast du ihn denn auch gesehen?«, fragt Leonie. »Klar«, antwortet Niklas, »ich stand gerade vor der alten Villa und suchte nach einer guten Möglichkeit, wo ich unauffällig mein Rad anschließen könnte, plötzlich höre ich, wie einer angefahren kommt. Ich habe mich schnell hinter der Eingangstreppe an der Seite des Hauses versteckt und hörte, dass das Auto vor dem Haus geparkt wird, aber keiner aussteigt. Also war klar, dass da jemand im Auto auf irgendwen oder was wartet. Da wurde es mir mulmig und ich bin hinter das Haus. Der Gartenzaun hatte ein großes Loch, durch das ich hier auf das Grundstück gekommen bin. Ich wollte mich erst mal verstecken und nachdenken, ob ich die Aktion nicht besser abbrechen sollte. Ich hatte mich gerade entschlossen, nach vorne zur Straße zu laufen und von dort unauffällig zu der Fabrik zu gehen, als ich plötzlich sehe, wie du da um die Ecke schleichst.«
Der Mond ist wieder kurz in einer Wolkenritze aufgetaucht. Niklas Gesicht strahlt in einem milden Lächeln. Leonie ist sehr froh, dass er da ist und drängt sich noch dichter an ihn.
»Am besten, wir machen, dass wir hier ungesehen wegkommen, dann reicht die Zeit vielleicht noch für eine Pizza oder einen Döner in der Stadt«, schlägt Niklas vor. Leonie ist mit allem einverstanden, was sie möglichst schnell von diesem Ort wegbringt. Sie will gerade antworten, als sie beide erstaunt aufhorchen. In der Ferne hören sie ein Martinshorn, das zügig näher kommt. Blaulicht flackert durch die Büsche. Autoreifen bremsen scharf im Sand. Die beiden schleichen geduckt Richtung Straße, um zu schauen, was das bedeutet.
Ein Einsatzfahrzeug der Polizei ist auf das Fabrikgrundstück gefahren und steht dort schräg zwischen den Kisten. Zwei uniformierte Polizisten steigen aus. Vor ihnen leuchten die Kegel ihrer Taschenlampen. Die Mauern des Gebäudes flimmern im Blaulicht. Die Polizisten bleiben vor dem Fabriktor stehen, leuchten die Außenfassade ab und rufen etwas. Als sich nichts zu regen scheint, verschwinden sie vorsichtig im Innern des Gebäudes. Der Schein der Lampen irrlichtert zwischen den einzelnen Kassetten der vom Schmutz milchigen Fabrikfenster. Leonie und Niklas schrecken gleichzeitig zusammen, als sie neben sich vom Villengrundstück her das Geräusch eines startenden Wagens hören. Dann sehen sie, wie die helle Kühlerhaube sich langsam in die Einfahrt schiebt. Der Fahrer scheint wie sie die Lage zu sondieren. Dann fährt er zügig davon. Erst als er in Höhe des Baumarktes angekommen ist, schaltet er die Scheinwerfer ein und ist bald verschwunden. »Wir sollten uns jetzt auch dünne machen«, flüstert Niklas, obwohl eigentlich niemand in der Nähe ist, der hätte aufmerksam werden können. Von der Fabrikhalle her hören sie die Polizisten rufen. Schließlich ist in der Ferne ein weiteres Martinshorn zu hören. »Schnell, lass uns über die Brücke bei den Gleisen verschwinden!«, zischt Niklas und setzt sich in Bewegung. Im Laufen springt er auf sein Rad und schaut nach hinten, um zu beobachten, ob Leonie es ihm gleichtut. Sie radeln ohne Licht im Schutz der Dunkelheit davon. An der Brücke gibt es neben der Treppe Metallschienen, in denen sie die Räder nach oben schieben können. Als sie in der Mitte der Brücke angekommen sind, halten sie an und wagen es, sich umzusehen. Wegen der hohen Bäume und Büsche hinter dem Bahndamm können sie nur die Giebelwand und das gewölbte Dach der Fabrik erkennen. Das Gelände selbst ist von dieser Warte aus nicht
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