Blinder Rausch - Thriller
deiner nähe sein
Lionheart: was soll das
LucyFair: nur spaß
Lionheart: bist du bekifft?
LucyFair: mir wars noch nie so ernst
Lionheart: erzähl mir endlich, was du weißt
LucyFair: die antwort kennt nur der wind
Lionheart: ???
LucyFair: oder die unterseite von deinem spind
Lionheart: Hey, schreib klartext
Das Sternchen bei Lucy Fair verlosch.
Leonie schaute nachdenklich auf den Bildschirm. Benjamin hatte sich also hinter dem Namen Lucy Fair versteckt. Lucy, warum hinter einem Mädchennamen? Damit Leonie ihn dann eher in ihre Freundesliste aufnehmen würde?
Leonies Handy klingelt. Es ist Niklas. Seine Stimme ist merkwürdig belegt. »Du, wir können uns heute Abend nicht sehen. Es ist etwas dazwischengekommen.«
»Was denn?«
»Ich sag es dir morgen.«
»Das geht nicht, ich will es aber jetzt wissen.«
»Ich hab versprochen, es nicht weiterzusagen und es ist auch ein bisschen kompliziert.«
»Wieso kompliziert? Ist es etwas wegen Denise?«
»In gewisser Weise auch, ja.«
»Hat Benny dich angerufen?«
»Woher weißt du das?«
»Weil er auch mir gegenüber Andeutungen gemacht hat, dass er mehr erzählen kann. Aber versprich dir nichts davon, mir hat er dann doch nichts verraten.«
»Er steckt in Schwierigkeiten, hat er mir gesagt. Ich soll ihn schützen, falls ihm gewisse Leute dumm kommen.«
»Nein, Nik! Tu das nicht! Das ist viel zu gefährlich. Du musst das sofort der Polizei sagen!«
»Vielen Dank, von der Polizei habe ich im Moment genug. Außerdem, kennst doch Benny, es kann auch ein Riesenflop sein. Und dann wäre das oberpeinlich.«
»Die Polizistin, die mich verhört hat, die war ganz O.K . Ich glaube, der kann man vertrauen. Ich ruf sie an!«
»Nein, tu das nicht! Das kannst du morgen immer noch tun, wenn ich herausgefunden habe, worum es eigentlich geht.«
»Es ist obergefährlich, Nik! Lass mich wenigstens mitgehen!«
»Eben gerade deshalb nicht. Aber du kannst ja Telefonbereitschaft machen. Wir bleiben in Verbindung. Wenn mir etwas gefährlich vorkommt, melde ich mich, und du kannst deine Polizistin immer noch anrufen.«
»Wann trefft ihr euch, wo?«
»21.30 Uhr in der Halle von der alten Maschinenfabrik. Robert-Bosch-Straße.«
Leonie verzieht nachdenklich die Stirn. Das Industriegelände am Stadtrand kennt sie. Viele der dortigen Fabriken stehen leer und sind nur noch düstere Industrieruinen. Letztes Jahr hat sie ihrem Vater geholfen, dort zwischen den Mauerritzen und den verrosteten Gleisen Pflanzen zu katalogisieren, die sich inzwischen ungestört angesiedelt haben. Die Maschinenfabrik, von der Niklas spricht, ist sicher eines dieser verlassenen Gebäude.
»Dieser Ort klingt gruselig Nik. Da ist um die Uhrzeit abends kein Mensch mehr, auf jeden Fall keiner, der gute Absichten hat.«
»Ich werde vorsichtig sein und mich im Hintergrund halten. Außerdem bin ich blitzschnell und groß und stark!«
»Ich finde das gar nicht witzig!«
»Ich auch nicht. Aber ich will auch endlich wissen, wie das Ganze gelaufen ist und außerdem – auch dem Benny sollte man mal beistehen oder etwa nicht?«
Es ist kurz nach neun. Leonie steht im Hof und sieht zu, wie Niklas sein Fahrrad durch die Waschküchentür bugsiert und die steinernen Stufen hinaufträgt. Er küsst sie, dann macht er sich davon. Leonie schaut hinauf zum geöffneten Küchenfenster der Wohnung. Dort oben im Wohnzimmer sitzen die Eltern jetzt und schauen Tatort. Die Geschwister schlafen längst. Für Mama und Papa ist Leonie immer noch mit Niklas zum Kino verabredet. Sie hat die Änderung des Programms nicht mitgeteilt. Um halb elf soll sie wieder zu Hause sein.
Soll sie bis dahin hier im Hof mit dem Handy in der Hand warten, bis Niklas sich endlich meldet? Soll sie weit weg vom Ort des Geschehens sein, wenn er ihr mitteilt, dass etwas vorgefallen ist, wobei er dringend Hilfe benötigt? Längst hat sie einen anderen Plan. Sie will in seiner Nähe sein, um notfalls eingreifen zu können. Eine genaue Vorstellung davon, wie sie das tun könnte, hat sie nicht. Vorsichtshalber hat sie jedoch Anja Wiesners Handynummer von der Visitenkarte, die sie ihr neulich gab, in ihrem Handy eingespeichert.
Kaum hat Niklas den Hof verlassen, verschwindet Leonie in der Waschküche und zerrt ihr eigenes Rad, das sie schon länger nicht benutzt hat, hinter dem Gerümpel hervor. Es ist schmutzig und platt. Sie pumpt es auf und stellt fest, dass die Luft immerhin in den Reifen bleibt. Mit einem Lumpen wischt sie es oberflächlich ab und
Weitere Kostenlose Bücher