Blinder Rausch - Thriller
Leute schädlich waren. Hatte er so etwas für dich?« »Ja. Aber sag es bitte nicht weiter«, drängt Niklas. »Hoffentlich hast du nichts mit der Sache in der Fabrikhalle zu tun«, sagt Sercan beschwörend. »Wie kommst du darauf?«, fragt Niklas. Seine Stimme klingt unsicher und Sercan mustert den Freund misstrauisch von der Seite. Dann erklärt er. »Immerhin war er ziemlich scharf auf Leonie. Das wusste hier jeder. Und so, wie du jetzt mit ihr rummachst, könnte es ja sein, dass ihr aneinandergeraten seid.« »So war es aber nicht«, erklärt Niklas. »Das will ich hoffen«, sagt Sercan und sie verschwinden in ihrem Klassenzimmer. Rund um Sercan und Niklas bleiben einige Plätze frei. Die sonst dort sitzenden Schüler haben sich auf die freien Plätze von Benjamin, Marcel und Jens verzogen.
Die flache Hand des Kommissars kracht auf die Schreibtischunterlage. Wieder einmal werden so die Stifte zum Hüpfen gebracht. Marcel sitzt daneben mit eingesunkenen Schultern und trotzig vorgeschobener Unterlippe. Seine Augen schwimmen in Tränen. »Du lügst!«, donnert der Kommissar. Er greift zum Telefon und raunzt in die Sprechmuschel: »Hier kann einer abgeholt werden.« Marcel zuckt zusammen und sieht den Polizisten flehentlich an. »Ich lüg nicht, es war so! Echt jetzt!« Der Polizist schaut zu seiner Kollegin, die am gegenüberliegenden Schreibtisch sitzt. Über den Rand ihres aufgeklappten Laptops begegnet sie ratlos dem Blick des Kollegen. Die Tür öffnet sich. Zwei Uniformierte erscheinen. »Bitte das volle Programm für unseren jungen Gast!«, tönt der Kommissar ironisch. Die beiden Polizisten wollen Marcel an den Oberarmen fassen und hinausbegleiten. »Mit Armbändern!«, tost Lindemann und die Polizisten legen Marcel Handschellen an, was er ohne Widerstand geschehen lässt. Dann schlurft er geduckt zwischen seinen Begleitern davon. Lindemann starrt noch eine Weile auf die wieder geschlossene Tür.
»Was haben sie von dieser Lügerei?«, fragt er dann seine Kollegin. »Was kann man noch tun, dass sie endlich mit der Wahrheit rausrücken? Wir haben doch alles versucht. Mit Druck. Mit Angeboten, milderndes Strafmaß und so weiter. Aber nichts! Sie bleiben knallhart bei der Geschichte, die sie uns aufgetischt haben. Früher war das nicht so, da hattest du einen Jungen in diesem Alter wenigstens nach drei Stunden weichgekocht. Aber heute? Die sind knallhart. Verhalten sich schon wie ausgebuffte Profis, halten eine ganze Nacht der Befragung durch, sprechen die Aussagen miteinander ab. Wo soll das hinführen?«
»Schmarrn!«, entfährt es Anja Wiesner und Lindemann schaut sie erstaunt an. »Hör doch auf mit diesen Geschichten. Früher war alles besser, früher waren die bösen Buben noch viel lieber. Früher wie heute gab es solche und solche.«
»Aha«, meint Lindemann spitz. »Und zu welcher Sorte gehören nach der Meinung der geschätzten Kollegin diese beiden anabolikagedopten Riesenbabys?«
Anja Wiesner geht gar nicht auf die Bemerkung des Kollegen ein. Sie erhebt sich, streckt die Arme und Beine durch und geht steifbeinig zwei Schritte Richtung Fensterbank. Dort greift sie nach einer zierlichen Gießkanne mit langer, dünner Tülle und beginnt vorsichtig, ihre Kakteensammlung zu gießen. Lindemann beobachtet sie finster dabei. Schließlich sagt sie nachdenklich: »Betrachten wir das doch einmal von der anderen Seite. Was ist, wenn die beiden die Wahrheit gesagt haben?«
Lindemann schüttelt heftig den Kopf. Er schnappt sich einen Stift aus seiner Sammlung und bemalt seine Schreibtischunterlage. »Ich höre!«, grunzt er.
Anja Wiesner erklärt, ohne ihre Tätigkeit zu unterbrechen: »Nehmen wir an, es stimmt. Benjamin hätte die beiden wirklich gestern Abend angerufen und sie gebeten, sie sollten sofort in die Fabrikhalle kommen und ihm helfen, Niklas Mettner bedrohe ihn dort. Dass der Anruf stattgefunden hat, hat uns der Provider inzwischen bestätigt.«
»Haben sie den Wortlaut aufgezeichnet?«, erkundigt sich Lindemann.
Anja Wiesener schüttelt den Kopf. »Datenschutz!«, erklärt sie und fährt dann fort: »Der Anruf fand um 21.15 statt und dauerte bis 21.16 Uhr. Die beiden haben sich dann von ihrem Freund Frederik Kaufmann mit dem Auto dorthin bringen lassen. Frederik Kaufmann hat uns gestern Abend diese Aussage bestätigt. Die beiden hätten ihn gebeten, sie in das Industriegebiet zu bringen, hätten ihm aber nicht gesagt, was sie da eigentlich wollten. Es habe ihn nicht interessiert. Er habe
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