Blinder Stolz: Thriller (German Edition)
aufgetaucht, hat auf Ben geschossen und mir gedroht, mich ebenfalls umzubringen. Das war’s.«
»Sie haben Starks bei der Arbeit kennengelernt, ist das richtig?«
»Ja. Bei Delray Marketing in Houston.«
»Soweit ich mitbekommen habe, wurde er gekündigt.«
»Vor ein paar Monaten.«
»Wissen Sie, weshalb?«
»Er passte nicht ins Team«, antwortete sie. »Zumindest hat das in der Kantine die Runde gemacht.«
»Passte er Ihrer Meinung nach denn hinein?«
Sie wandte sich Deputy Nyland zu, der die Frage gestellt hatte. »Die Bewertung der Kompatibilität meiner Kollegen steht nicht in meinem Arbeitsvertrag«, erwiderte sie kühl.
»Trotzdem frage ich Sie nach Ihrer ehrlichen Meinung. Finden Sie, dass Oren Starks gut in Ihre Firma gepasst hat?«
»Nein, das finde ich nicht.«
»Wieso nicht? Hat er seine Arbeit nicht gut erledigt?«
Ein angedeutetes Lächeln erschien auf Berrys Zügen. »Oren hat seine Arbeit nicht nur gut erledigt, sondern sogar ganz außergewöhnlich.«
»Ich kann Ihnen nicht ganz folgen, Berry«, schaltete sich der Sheriff ein. »Ski sagte, Sie hätten den Kerl als reichlich schrägen Vogel beschrieben.«
»Das stimmt, aber seine Persönlichkeit hat nichts mit seinen beruflichen Fähigkeiten zu tun«, gab Berry zurück. »Im Marketing dreht sich alles um Kreativität, um strategisches Denken und darum, ein Dutzend Faktoren zu einem harmonischen Ganzen zusammenzufügen. Ein falsches Detail kann alles zunichte machen. Oren war die Allzweckwaffe bei Delray, wenn eine Kampagne nicht so funktionierte, wie sie sollte. Er hatte ein Händchen dafür, innerhalb kürzester Zeit das Teilstück herauszufiltern, das nicht hineinpasst.«
»Und doch hat er nicht gut in die Firma gepasst«, bemerkte der Sheriff.
»Ironischerweise. Die Mitarbeiter haben sich in seiner Gegenwart nicht wohlgefühlt. Vor allem die weiblichen. Ich war nicht die Erste, die ungewollt ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit gerückt ist.«
»Gab es jemals eine Anzeige wegen sexueller Belästigung?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Zumindest nicht offiziell. Oren hat nichts getan, womit er gegen ein Gesetz verstoßen hätte. Er hat niemanden angefasst und weder obszöne Mails noch sonstige Anstößigkeiten herumgeschickt. Er ist viel zu clever, um etwas zu tun, was gegen ihn verwendet werden könnte. Dafür hat er es verstanden, anhand von Andeutungen eine Intimität zu suggerieren, die in Wahrheit gar nicht existiert.« Sie hielt einen Moment inne. »Und wenn man auf seine Andeutungen einging, gab er einem das Gefühl, als hätte man etwas missverstanden.«
»War das die Erfahrung, die Sie mit ihm gemacht haben?«, hakte der Sheriff nach.
»Ja. Am Anfang. Ich dachte, ich interpretiere zu viel in die Dinge hinein, die er sagte und tat. Aber nach seiner Kündigung wurde er zunehmend penetranter und aggressiver. So sehr, dass ich irgendwann regelrecht Angst vor ihm bekam. Ich dachte, wenn ich den Sommer über herkomme und in Mutters Haus wohne – sie versucht schon mich dazu zu bewegen, seit sie es gekauft hat –, das heißt, wenn ich einfach für eine Weile von der Bildfläche verschwinde, gibt er vielleicht auf, verliert das Interesse an mir und lässt mich in Ruhe.«
»Wenn Sie sagen, er hätte Sie verfolgt …« Der Sheriff beugte sich vor und musterte sie auffordernd.
»Er hat mehrmals am Tag angerufen und mir pausenlos SMS geschickt.«
»Wieso haben Sie sich nicht einfach eine neue Nummer zugelegt?«, fragte Deputy Nyland.
»Weil viel zu viele Leute meine Nummer haben. Kunden, Kollegen, Leute, die bei einem dringenden Problem eine möglichst rasche Lösung brauchen. Es wäre sehr umständlich gewesen, sie alle zu informieren.«
»Zu umständlich, um dafür einen Stalker in Kauf zu nehmen?«
»Sie brauchen diese Frage nicht zu beantworten, Berry«, schaltete sich der Anwalt ein.
Das hatte sie auch nicht vor. Stattdessen wandte sie sich erneut an den Sheriff. »Oren ist uneingeladen bei mir zu Hause aufgetaucht. Manchmal hat er am Straßenrand geparkt, manchmal sogar auf der Veranda gesessen und auf mich gewartet. Er ist in Restaurants gekommen, in denen ich gerade beim Abendessen saß, und hat mir Blumen mit einer romantischen Karte geschickt, als wären wir ein Paar oder so was. Aber ich versichere Ihnen, dass nie etwas zwischen uns war. Er hat mir kleine Geschenke gemacht …«
»Zum Beispiel?«
Berry dachte einen Moment nach. Die Verärgerung über den Deputy, der sie mit seinen ständigen Fragen unterbrach,
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