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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Abercrombie
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lächelte und deutete mit dem Finger auf ihn. »Ups! Ha! Jetzt hatte ich dich, was? Du warst so nah dran.« Sie lachte. »Du wolltest was sagen, oder? Was denn? Nein? Nein, so bin ich nicht? Ist es das? Nein, ich bin kein fauler Axtmörder, kein Sex-Perverser? Ich bin der rigorose, disziplinierte Typ, oder … Nein! Jetzt komm ich darauf! Es geht überhaupt nicht um Sex. Ist es das? Hier läuft was ganz anderes, nicht wahr? Etwas ein bisschen Abartigeres, hm? Ein bisschen eigenartiger?«
    Sie versuchte, ihre Gedanken ausstrahlen zu lassen und ein Gefühl für diesen Typen zu kriegen. Wenn sie ihn verstand, wenn sie ihn kannte … das war der erste Schritt, hier rauszukommen.
    »Du bist gar nicht der Boss, oder?«, sagte sie. »Du triffst nicht die Entscheidungen, du bist nicht der Chef, der Aufseher.« Dann kam sie drauf. Plötzlich war alles klar. »Ich verstehe. Jetzt verstehe ich. Er hat dich auch irgendwie am Arsch, oder? Du und ich, wir sind hier beide bloß Gefangene. Erinnerst du dich an das Lied? ›Hotel California‹? Komm schon, Bruder! Jeder Weiße in Amerika kennt das Lied!« Sie sang die Stelle, wo man im Grunde sein eigener Gefangener war und all das Zeug. »Du weißt, was das heißt, oder? Wir haben uns das selbst zuzuschreiben. Du hast irgendwas angestellt, nicht wahr? Du hast einen Fehler gemacht, und jetzt bist du hier. Du glaubst, es wäre zu spät, noch rauszukommen.« Sie ließ das Lächeln auf ihrem Gesicht verblassen, stellte sich vor, ihm tief in die Augen zu starren, ganz ernst mit diesem Arsch zu reden. Sie schüttelte den Kopf. »Ah – hm. Vergiss es. Ich sage dir, es ist nie zu spät.«
    Sie konnte ihn spüren, seine Wut und – was war das? – ja – seine Angst! Was fürchtete er?
    »Es ist nie zu spät«, fing sie wieder an. »Das weiß ich. Ich meine, ich weiß das einfach! Ich war schon an ein paar düsteren Ecken, Bruder. Voll drauf, komplett paranoid, ich hab geklaut und Gesetze gebrochen, die zu schützen ich geschworen habe. Schwanger? Angeklagt? Beschämt? Am Boden?« Sie lachte reuevoll. »Du hast ja keine Ahnung. Aber sieh mich an! Sieh nur! Komm schon, du siehst bloß eine dürre kleine Schwarze, die am Boden liegt, die Augen mit Sekundenkleber zugepappt. Aber das ist falsch, Bruder. Was du sehen solltest, ist der Triumph. Triumph, Baby! Ich war in der Düsternis, Baby! Ich war dort! Und ich habe mich zurückgekämpft. Tag für Tag. Stück für Stück habe ich mich durch den Dschungel gearbeitet, Baby. Und ich bin noch nicht fertig.«
    Sie deutete mit dem Finger auf ihn. »Du glaubst, du weißt, wie das läuft? Du glaubst, du weißt, wo das alles hinführt? Du tust dir leid? Du glaubst, das Ende dieser Geschichte steht schon fest? Nein! Teufel! Nein, du schlapper Wichser.«
    Sie predigte jetzt mit erhobenem Finger. »Du hast ja keine Ahnung, Junge. Du hast ja keine Ahnung! Du kennst Me-Chelle Armitage Deakes nicht. Die Sache läuft so, wie ich es sage! Es läuft so, wie ich es will.«
    Sie klappte den Mund zu und richtete ihre Augen in der Schwärze dort hin, wo sie annahm, dass der Mann war.
    »Komm schon«, sagte sie leise. »Komm schon, Baby. Wir schaffen das.«
    Es war lange, lange, lange still im Zimmer, abgesehen vom Ticken der Uhr.
    Sie hatte ihn. Oder nicht? Sie hätte schwören können, dass sie ihn hatte.
    Aber dann verging der Augenblick, und er sagte nichts.
    »Na gut«, sagte sie leichthin. »Na gut. Wir haben Zeit.« Sie ging so zügig sie konnte quer durchs Zimmer, in Richtung der Tür zur Küche, sie hielt nur an, um die Kiste zu packen und das Zeug darin auf den Boden zu kippen. Sie wollte zeigen, wie sehr sie das alles nicht kümmerte. Hinweise? Ein Ausweg? Ach was, MeChelle Deakes hatte einen anderen Plan.
    Sie tastete nach der Küchentür, drückte sie auf, ging rein, stellte die leere Pappschachtel auf den Herd. Sie fuhr mit der Hand über die Oberseite des Herdes. Fand die großen klumpigen Metallteile einzelner Brenner. Gas. Perfekt.
    Sie trat nach einer der Schranktüren, riss sie ab, trampelte blindlings darauf herum, verwandelte sie in Feuerholz. Dann schmiss sie die Teile auf den Pappkarton. Lauschte. Nichts, außer der Uhr. Im anderen Zimmer rührte sich der Stille Mann immer noch nicht.
    Sie zerschmetterte noch drei weitere Schranktüren, stapelte sie auf den Herd. Dann drehte sie den Schalter und spürte die leichte Hitze vor ihrem Gesicht. Sie roch den Rauch, als der Karton Feuer fing.
    Sie ging zur Tür, stemmte ihren Fuß gegen die

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