Blindes Grauen
ausgeschieden war.«
»Was ist mit diesem Nathan geworden?«
King schüttelte den Kopf.
»Warum sind Sie so sicher, dass er es war?«
»Kathleen Bolligrew hatte schon eine einstweilige Verfügung gegen ihn. Sie hatten sich lange gestritten. Er hat bei seinen Großeltern gelebt. Aber in der Highschool wurde es zu schlimm. Seine Großeltern entschieden schließlich, dass sie ihn nicht mehr länger ertragen konnten. Also ließ Kathleen ihn eine Weile bei sich wohnen. Aber allzu lange hielt sie das nicht durch. Sie hat ihn aus dem Haus geworfen, als er siebzehn wurde.«
»Gibt es irgendwelche Indizien? Oder Zeugen, die ihn am Tatort gesehen haben?«
King schüttelte den Kopf. »Nein. Er hatte ein Alibi. Seine Freundin hat behauptet, er wäre die ganze Nacht bei ihr gewesen.«
»Nichts davon steht in der Akte«, sagte Gooch.
Kings Gesicht wirkte eigenartig durchscheinend. Er zuckte mit den Achseln. »Hören Sie, ich habe in dem Fall wirklich getan, was ich konnte. Aber bei dem Jungen bin ich einfach gegen die Wand gelaufen. Außerdem habe ich mich nicht mit dem Chef der Mordkommission verstanden. Luke Johnson. Ist er noch dabei?«
»Nein«, sagte Gooch. »Lange weg.«
»Na ja, wie auch immer, ich bekam das Angebot, ein paar Ermittlungen als Privatdetektiv durchzuführen, also habe ich mich verpisst. Kaum war ich weg, wünschte ich mir, es zehn Jahre früher getan zu haben.«
Gooch dachte nach.
Irgendetwas fehlte.
King führte ihn irgendwie an der Nase herum.
»Wieso haben Sie versucht, mir davonzulaufen?«
»Was?« King schaute übertrieben überrascht. Gooch hätte ihm am liebsten eine reingehauen. Ein Typ wie King versuchte immer, einen zu manipulieren.
»Wegen irgendwas lügen Sie mich an. Oder Sie erzählen es mir nicht. Was aufs Selbe hinausläuft.«
»Lügen!« King schaute streng. »Alter, ich muss nicht mit Ihnen reden.«
»Tun Sie mir einen Gefallen. Nennen Sie mich nicht noch einmal Alter. «
Auf Kings Gesicht breitete sich ein großes Lächeln aus. »Hey, entspannen Sie sich. Ist nur so ein Spruch.«
»Sagen Sie mir, was Sie mir verschwiegen haben.«
King hielt vor seinem Bürogebäude, stoppte den großen Mercedes vor den Glastüren. »Nichts davon verlässt diesen Wagen«, sagte er.
»Ich werde weder mit Ihnen verhandeln noch irgendwelche Deals machen.«
King zog eine Augenbraue hoch. »Wollen Sie meine Hilfe, oder nicht?«
Gooch dachte an MeChelle in irgendeinem Zimmer, die Augen zugeklebt, und sein Magen verkrampfte sich. »Es geht um das Leben einer Polizistin«, sagte er. »Ich kann Ihnen die Details nicht verraten. Es geht nicht nur darum, ein schimmliges altes Verbrechen zu klären.«
King grinste kühl. »Und das soll mich interessieren?«
Gooch atmete tief durch und überlegte, welche Möglichkeiten ihm blieben. Diesen Typen einfach zu Mus zu hauen, war verlockend. Aber es würde nichts bringen. In Wahrheit hatte er nicht viele Wahlmöglichkeiten. Gooch knirschte mit den Zähnen. »Nun gut«, sagte er.
»Nun gut was?«, fragte King.
»Was auch immer Sie zu sagen haben, es bleibt unter uns.«
»Sehen Sie, wie einfach das ging?« King zog eine Zigarette hinter seinem Ohr hervor, zündete sie an, stieß einen langen, dünnen Rauchstrahl aus. »Oh, der Herr sei gepriesen«, sagte er.
»Reden Sie«, sagte Gooch.
King nahm noch einen Zug. »Ich will ehrlich mit Ihnen sein. Ich mochte Geld schon immer.« Einen Augenblick lang sagte er nichts. »Ich habe nur acht Monate bei der Mordkommission verbracht. Davor war ich im Drogendezernat.«
Drogen. Es gab eine Menge Möglichkeiten, bei den Drogen auf den falschen Weg zu geraten.
»Man verknackt immer diese kleinen Loser, und – hey – selbst die peinlichsten Straßendealer haben meistens mehr Geld in der Tasche, als man selbst in einem Monat verdient. Ich will nicht sagen, dass ich der Versuchung nachgegeben habe. Aber theoretisch könnte man schon verstehen, wie jemand ab und zu mal vergessen könnte, alles Bargeld ordnungsgemäß einzutragen …« King rauchte schweigend. »Erinnern Sie sich an die Ermittlungen im Jahr 1988, als sie ein paar Typen in der Abteilung hochgenommen haben, weil die abkassierten? Ein paar Typen von einer verdeckten Ermittlergruppe, zwei vom Drogendezernat …«
Gooch sagte nichts. Wartete.
»Okay, also … sagen wir mal, ich stand ein paar der Typen, die gefeuert wurden, sehr nahe. Sagen wir mal, die Dienstaufsichtsbehörde hatte mich auf dem Kieker. Also bin ich rüber zur Mordkommission. Ich
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