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Blindes Grauen

Blindes Grauen

Titel: Blindes Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Abercrombie
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wollte aus dem Fadenkreuz. Wie auch immer. Keine Ahnung, wie er es rausgekriegt hat – aber als ich an Nathan dichter rankam, hat er gesagt, ich müsste mir einen anderen Verdächtigen suchen, sonst könnte er mir das Leben sehr schwer machen und den Schnüfflern der DA erzählen, dass ich versucht hätte, ihn um Geld anzuhauen.«
    »Also haben Sie die Sache schleifen lassen«, sagte Gooch.
    »Nein, nein, überhaupt nicht!«
    »Was denn dann? «
    »Ich habe gekündigt. Ich habe hingeschmissen und den Fall einfach jemand anders in den Schoß fallen lassen. Sie können mir keinen Vorwurf daraus machen, wenn mein Nachfolger die Sache nicht ordentlich zu Ende gebracht hat.«
    »Ich nehme mal an, Nathan hat Sie nicht zufällig davon überzeugen können, ein oder zwei Vernehmungsprotokolle mit in den Ruhestand zu nehmen? Und die Dinge in der Akte vielleicht so unscharf zu formulieren, dass der nächste Detective, der sie in die Hände bekam, nicht viel hatte, womit er arbeiten konnte?«
    King langte über Gooch’ Schoß hinweg und öffnete dessen Tür. »Viel Glück, Mann«, sagte er.
    »Ich habe Ihnen eine Frage gestellt«, sagte Gooch.
    »Viel Glück«, sagte King. »Sagen Sie dem Mädchen am Empfang, ich hätte gesagt, einer meiner Mitarbeiter soll Sie zu Ihrem Wagen vor dem Restaurant zurückfahren.«
    »Ich habe Ihnen eine Frage gestellt! Haben Sie diese Unterlagen mitgenommen?«
    »Nathans Freundin hieß Grace Wadell. Sie war sein Alibi. Vielleicht ist sie nach all den Jahren willens zu reden.«
    »Das war nicht meine Frage.«
    King schaute stur geradeaus, die lange Narbe weiß auf seiner Haut. »Mehr habe ich nicht zu sagen.«

30
    MeChelle griff nach dem Hörer, kaum dass es klingelte.
    »Ich glaube, bei King bin ich auf etwas gestoßen«, sagte Gooch. »Ich glaube, er hat eine Menge Sachen aus der Akte genommen. Er hat es nicht offen zugegeben, aber ich bin ziemlich sicher. Kathleen Bolligrew hatte einen unehelichen Sohn namens Nathan Morris. King sagt, der war’s.«
    »Warum hat er ihn damals nicht festgenommen?«
    »King sagt, er hatte ein Alibi. Seine Freundin. Ich versuche, das Alibi zu überprüfen. Wenn ich sie nicht finden kann, dann mache ich mich direkt über Morris her.«
    »Du traust King also nicht?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Er hat mehr oder weniger zugegeben, Schmiergelder eingesteckt zu haben, als er beim Drogendezernat war. Und er hat impliziert, dass er die Akte getürkt hat, damit sie nicht so deutlich auf Nathan hinwies, wie sie das sonst getan hätte.«
    MeChelle fühlte sich furchtbar hilflos. Sie wollte dort draußen bei Gooch im Wagen sitzen.
    »Ich weiß«, sagte Gooch, der offensichtlich ihre Gedanken lesen konnte. »Ich weiß.«
    Es folgte eine lange Pause, dann war die Leitung tot.
    MeChelle ging davon aus, dass es eine Weile dauern würde, aber das Telefon klingelte nach etwa einer Minute wieder.
    »Hank?«
    Es folgte eine lange Pause.
    »Hank?«, fragte sie wieder.
    »Ja, ich bin’s.«
    »Was ist?«
    »Die Stunde ist gleich zu Ende. Wir haben noch einen Anruf. Ich dachte, den nutze ich dann auch.«
    »Okay. Aber … ich habe nichts für dich. Mir fällt nichts Neues ein.«
    Wieder eine lange Pause. MeChelle hatte ein komisches Gefühl, war aber nicht sicher, wieso.
    »Alles in Ordnung, Hank?«, fragte sie.
    »Alles bestens.« Wieder eine Pause. Dann setzte Gooch hinzu: »Allerdings habe ich in letzter Zeit nicht so toll geschlafen.«
    Das war nun wirklich ungewöhnlich. »Wie kommt das?«
    Wieder eine Pause.
    »Ich weiß …« Er atmete lang und hörbar ein. »Ich weiß es auch nicht. Ich habe von meinem kleinen Mädchen geträumt. Ich sehe sie immer in diesem Bambusdickicht vor mir. Wo sie ihre Leiche gefunden haben, weißt du? Ich laufe auf sie zu, kann sie aber nicht erreichen. Und sie ruft immer nach mir. ›Daddy! Daddy!‹«
    »Hast du jemals zuvor solche Träume gehabt?«
    »Ist das nicht komisch?«, sagte Gooch. »Es ist zwölf Jahre her, dass sie starb. Aber erst nachdem ich aus dem Dienst ausgeschieden bin, habe ich angefangen von ihr zu träumen.«
    »Du warst mit anderen Dingen beschäftigt.«
    »War ich das?«
    »Gooch, du machst mir Angst«, sagte MeChelle.
    Gooch wurde mitten in seinem Lachen abgeschnitten.
    Merkwürdig. Was hatte ihn in diese Beichtlaune versetzt? Sie hatte ihn nie auch nur annähernd ähnlich reden hören. In den sechs Monaten, die sie zusammen gearbeitet hatten, hatte er nicht ein einziges Wort über sich oder sein Leben oder seine Gefühle

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