Blindes Grauen
hinter MeChelles Entführung steckte, eine eindeutige Verbindung zu dem Bolligrew-Mord hatte. Wieso sollte irgendein Drogendrücker aus Cabbagetown so wild darauf sein, einen achtzehn Jahre alten Mord zu lösen? Das ergab keinen Sinn.
Gooch kam zurück ins Zimmer, und die anderen beiden Detectives folgten.
»Rufen Sie mir einen Krankenwagen!«, heulte der Junge. »Ich hab’s Ihnen gesagt! «
Gooch schaute auf die Uhr. Es war vier. Ganz genau. Er sollte also MeChelle anrufen können. Das war eine ganz neue Entwicklung.
Er zog sein Handy heraus, wählte. Bekam die Nachricht, dass MeChelles Handy nicht funktionierte. Diese Nachricht hatte er bislang noch nicht gehört. Vorher hatte das Telefon einfach nur geklingelt, wenn er die drei Anrufe pro Stunde überschritt, aber niemand war rangegangen. Die ganze Sache machte ihn nervös. Er wählte noch einmal.
»Äh, Sir!«, sagte Cody.
Gooch bedeutete ihm, still zu sein und wählte erneut. Er müsste jetzt jeden Augenblick durchkommen können. Diese Melbert Reavis-Sache war wichtig. Er musste mit MeChelle darüber reden. Er wartete und hörte dieselbe Unerreichbar-Nachricht.
»Sir?«
Gooch drückte auf Wahlwiederholung. Wieder nicht erreichbar.
»Sir?«
»Was?« Gooch wandte sich um und starrte den jungen Detective an.
Cody deutete auf die Kommunikationstechnik am Boden.
Gooch drückte weiter Wahlwiederholung.
Dann, als er erneut die Nachricht hörte, bemerkte er, worauf Cody Floss zeigte: ein kleines, unregelmäßiges Loch an der Stirnseite der schwarzen Pizzaschachtel.
Gooch wählte erneut, und plötzlich durchfuhr ihn die Wut wie ein Strahl Eiswasser.
Ein zartes Rauchwölkchen drang aus dem Loch in dem Gerät. Dann erloschen die kleinen Blinklichter auf der Vorderseite.
»Sir! Ich glaube, ich hab das Ding erschossen.«
37
Die Stimme aus der Decke sagte: »Ihnen bleiben … vier … Stunden.«
Okay, Hank würde wahrscheinlich auf die Zeit achten und hoffentlich anrufen. Sie stand neben dem Tisch mit dem Telefon darauf und trommelte mit den Fingern.
»Komm schon, Hank!«, rief sie.
Das Telefon klingelte nicht.
Sie glaubte, ewig zu warten, griff schließlich nach dem Hörer und wählte. Wie erwartet brachte das gar nichts.
Sie legte auf und wartete weiter. Was war los? Warum rief er nicht an?
Plötzlich spürte sie eine Welle der Angst, Angst gemischt mit Wut. Vielleicht ließ die Stimme seinen Anruf nicht durch?
»Was ist mit meinem Anruf?«, rief sie. »Es ist Zeit dafür! Ich brauche meinen Anruf! Du willst doch, dass wir den Typen kriegen, der sie umgebracht hat, oder? Dann lass mich gefälligst telefonieren!«
Aber die Stimme sagte nichts.
Verdammt, Hank, warum rufst du nicht an?
Sie stand da, eine Hand auf den Hörer gelegt und wartete, wartete.
Tick. Tick.
Tick.
Gooch sah wieder auf die Uhr. Drei Stunden und gut fünfzig Minuten noch. Und wegen der Schießerei würden sie hier noch eine Weile bleiben müssen. Nein. Hierzubleiben war keine Option. Aber den Jungen hier verbluten zu lassen, auch nicht wirklich.
Gooch meldete den Schusswechsel in der Zentrale, dann schlug er Arno auf die Schulter. »Los.«
»Hey, also …«, sagte Arno.
»Los. Es sind fünf Blocks bis zu deinem Wagen. Du gehst einfach dahin zurück und verschwindest von hier.«
Arno musste nicht weiter überzeugt werden. Dann wandte sich Gooch Cody Floss zu, der auf dem Boden saß und aussah, als würde er gleich ohnmächtig werden.
»Reiß dich zusammen, Junge«, sagte Gooch. »Bald wird es ein bisschen ungemütlich hier werden. Du musst dich zusammenreißen.«
Cody Floss schaute hoch zu Gooch und zwinkerte. »Ich habe alles vermasselt«, sagte er. »Ich habe einfach …«
»Halt die Klappe«, sagte Gooch. »Dafür haben wir jetzt wirklich keine Zeit. Du musst dich konzentrieren und unsere Geschichte auswendig lernen. Wir haben einen Tipp bekommen, klopfen an der Tür und hören ein Geräusch, das in uns den Verdacht weckt, dass ein Verbrechen begangen wird, also sind wir ins Haus eingedrungen, und dann wurde auf uns geschossen. Da du glaubtest, unmittelbarer tödlicher Gefahr ausgesetzt zu sein, hast du selbst mit dem Gebrauch der Schusswaffe reagiert. Das ist deine Story. Basta.«
»Was ist mit Ihrem Freund?«
Gooch runzelte die Stirn.
»Freund? Was für ein Freund?«
Floss schaute verwirrt. Dann wanderten seine Augenbrauen nach oben. »Oh! Tut mir leid, Sir! Ich verstehe.« Seine Gesichtszüge fielen wieder in sich zusammen. »Aber …«
»Jetzt hör mal, wir
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