Blindes Grauen
und wartete auf sein Verfahren.
Gooch fuhr auf den Parkplatz, marschierte in die Verwaltung und bat darum, den Leiter der Knastsicherheit zu sprechen. Während er wartete, erledigte er einen kurzen Anruf und erklärte, was er brauchte. Gerade als er damit fertig war, kam ein uniformierter Aufseher und führte ihn in das Büro der Sicherheitschefin. Sie war eine große, strenge Schwarze namens Ordellia Means. Breite Schultern, schmale Taille. Haare, die wie Softeis aussahen.
»Ich muss mit einem Insassen namens Melbert Reavis sprechen«, sagte Gooch. »Seine Haftnummer lautet 305-27-411X.«
»Sergeant, Sie müssen mit dem Leiter der Besuchsabteilung sprechen und einen Vernehmungsraum buchen«, sagte sie und las überdeutlich in irgendwelchen Unterlagen auf ihrem Schreibtisch. »Sie scheinen mir erfahren genug zu sein, sich mit den Vorgängen in unserem Haus auszukennen.«
»Nein, Ma’am«, sagte Gooch. »Ich will keinen Vernehmungsraum. Ich will mit ihm einfach auf dem Hof reden.«
Sie schaute von den Unterlagen auf, zwinkerte einmal, zweimal, dann ein drittes Mal. »Das ist nicht möglich«, sagte sie.
»Ich möchte auf dem Hof mit ihm reden«, wiederholte er. »Ma’am.«
Sie schaute ihn irritiert an. »Haben Sie Schwierigkeiten mit dem Gehör, Sergeant?«
»Nein, Ma’am.«
»Dann verstehe ich nicht …«
»Ich habe meine Gründe.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Sergeant, ich kann auf dem Hof nicht für Ihre Sicherheit garantieren. Ergo ist dieses Gespräch beendet.«
Gooch rührte sich nicht. Das Telefon klingelte. Es war ein kurzes Gespräch, dann legte die Sicherheitschefin auf. Sie trommelte einen Augenblick lang mit den Fingernägeln auf die Schreibtischoberfläche.
»Sie sind also irgendwie an den Gouverneur rangekommen«, sagte sie.
»Können wir jetzt weitermachen?«, fragte Gooch. Er hatte in der Wartezeit MeChelles Vater angerufen. Er war einer von den Leuten, deren Anrufe jeder im Staat entgegennahm. Ganz großer Fisch in der schwarzen Community. Er hatte ihm nicht zu genau erzählt, was mit MeChelle los war – bloß, dass ihr Leben auf dem Spiel stand, dass MeChelle seine Hilfe brauchte. Gooch fand, dass er nicht alle Feinheiten wissen musste, er würde sich nur Sorgen machen.
Die Sicherheitschefin spitzte die Lippen und starrte ihn eine Weile an, dann zog sie einen Zettel hervor. »Sie müssen das unterschreiben«, sagte sie. »Wir werden für Sie einen Scharfschützen aufs Dach stellen.«
»So weit wird es nicht kommen«. Gooch krakelte seinen Namen auf den Zettel.
Der Hof war voll Gefängnisinsassen in weißen Sachen mit schwarzen Streifen an den Nähten. Schwarze belegten alle Basketballkörbe. Die Weißen hoben Gewichte. Mexikaner standen am Zaun. Gooch trug seine Marke am Gürtel, er wusste, dass ihn das zum Ziel machte, und er wusste, dass die Gefängnisinsassen wussten, dass er es wusste. Es war ein Zeichen seiner Stärke und Zuversicht.
Gooch wusste, das Selbstbewusstsein das Einzige war, was ihn bei Melbert Reavis weiterbringen würde. Wenn sie sich auf gegenüberliegenden Seiten in einem Verhörzimmer hinsetzten und plauderten, würde Reavis bloß über ihn lachen und ihm nicht helfen.
Ein Gefängniswärter zeigte ihm Reavis. Es war ein unglaublich fetter Kerl mit kurzem, ordentlich geschnittenem Haar und kräftigen Armen. Er hatte die Ärmel seines Anzugs abgerissen. Ein paar weiße Knackis standen um ihn herum und lachten über seine Scherze. Schleimer, das konnte man sehen. Ihre Arme waren mit Tattoos bedeckt. Sie waren knallharte, altgediente Gangster, auch das war leicht zu erkennen.
Als Gooch näher kam, unterbrachen sie ihr Gespräch.
Alle auf dem Hof hielten inne, alle starrten den verrückten Bullen an, der ohne Schutz mitten über den Hof marschierte. Gooch wusste, was sie dachten: Sie würden eine tolle Show erleben. Sie freuten sich darauf, ganz egal, wie sie lief.
Die beiden Knackis, die über Reavis’ Scherze gelacht hatten, veränderten ihre Position ein wenig und schoben sich zwischen ihn und Reavis. Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich plötzlich, wurde ausdruckslos.
Reavis andererseits lächelte Gooch an. »Meine Güte!«, sagte er. »Wer ist denn das?«
Gooch ging um den Kleineren der beiden Schleimer herum – einem kahlgeschorenen Kerl mit einem Schnauzer – und legte ein kleines Aikido-Manöver hin; er schob dem Mann seine Hand unter das Kinn, drückte es nach hinten, schmiss ihn um, knallte seinen Schädel auf den Betonboden. Es klang, als
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