Blindes Grauen
von dem Jungen war niemand da. Sein Herz sank. Keine MeChelle.
Arno brach ins Zimmer, sah sich um. »Wo ist sie?«
Gooch schüttelte den Kopf und starrte Cody streng an. »Jedenfalls nicht hier.«
»Du hast auf mich geschossen!«, sagte der Junge auf dem Boden. Dann begann er wieder zu kreischen, hoch und schrill.
»Halt den Mund, Junge«, sagte Arno zu ihm.
»Cody«, rief Gooch. »Such nach Falltüren. Vielleicht gibt es einen Keller.«
Aber Cody, der immer noch im anderen Zimmer stand, zwinkerte bloß. »Oh, mein Gott!«, sagte er. »Oh, mein Gott!«
»Nicht du auch noch«, sagte Arno und kehrte durch das Loch in der Wand wieder zurück in das andere Zimmer. Dann gab er Cody eine Ohrfeige.
Cody sah sich um und zwinkerte.
»Falltüren!«, befahl Gooch. »Jetzt!«
Dann wandte er sich dem Jungen auf dem Boden zu. Er sah aus, als wäre er etwa zwanzig und trug den vollen Getto-Stil – Goldzahn, Sack-Klamotten, Tattoos, billigen Glitzerkram um den Hals.
»Was treibst du hier, Junge?«
»Ich werde sterben!«, rief der Junge.
»Nein, wirst du nicht«, sagte Gooch. Er kauerte sich hin, um dem Jungen in die Augen zu sehen. »Sag mir, warum du hier bist, dann rufe ich einen Krankenwagen.«
Der Junge begann wieder zu kreischen.
Gooch packte sein Gesicht, drückte zu, sah ihm genau in die Augen. Der Junge hörte auf zu kreischen. »Was tust du hier, Junge?«
Der Junge sagte nichts, zeigte aber auf etwas. Auf der anderen Seite des Zimmers stand ein Computer, aus dem eine Menge Kabel quollen, die im Boden verschwanden.
»Was ist das?«
»Ich weiß es nicht«, keuchte der Junge. »Ich sollte bloß drauf aufpassen, damit keiner der Nigger hier einbricht und das Ding klaut.«
»Cody!«, brüllte Gooch.
»Sir?« Codys Gesicht tauchte in dem kantigen Loch in der Wand auf. Seine Haut war blass, und er schwitzte.
»Wofür ist das gut?«, fragte Gooch und deutete auf den Computer.
Der junge Detective kam ins Zimmer, betrachtete zügig die Geräte und stöhnte dann. »Oh, nein«, sagte er.
»Was?«
»Ich hätte es wissen müssen.« Cody drückte sich die Hände ins Gesicht.
» Was? «
»Es ist eine Weiterschaltung. Das Ding, das aussieht wie ein Computer. Das ist ein Internet-Router. Und sehen Sie die schwarze Kiste unter dem Computer?« Er deutete auf ein schwarzes Gerät, das etwa so groß war wie eine Pizzaschachtel. Vorne dran blinkten Lämpchen. »Das ist irgendein schnurloses Relay-Gerät. Wahrscheinlich parasitisch, sendet auf Handyfrequenzen. Es konvertiert die digitalen Pakete in …«
»Erklär es mir ohne diese Computerscheiße.«
»Okay … äh … im Grunde wird MeChelles Handysignal in digitale Form umgewandelt und durch das Internet gespeist. Es erreicht diese Kiste, wo das Internetsignal wieder in ein Handysignal zurückverwandelt wird. Und das wird dann an andere Handy-Transmitter irgendwo in der Stadt weitergeleitet. Wenn derjenige, der das eingerichtet hat, klug ist – und das ist offensichtlich der Fall –, dann ist der Internetprovider irgendwo im Ausland. Nigeria, Panama – irgendwo, wo wir nicht rankommen. Zumindest nicht schnell.«
»Und was heißt das?«
»Das heißt, das hier ist eine Sackgasse.«
»Können wir es mitnehmen? Irgendwas daraus auslesen?«
Cody schüttelte den Kopf. »Wenn Sie’s abschalten, dann unterbrechen Sie Ihre einzige Verbindung zu Sergeant Deakes.«
Gooch wandte sich dem Jungen auf dem Boden zu. »Wer hat dich dafür bezahlt?«
Der Junge schüttelte den Kopf.
»Ich habe dir eine Frage gestellt!«
»Ich sag gar nichts, Mann«, sagte der Junge.
»Prima«, sagte Gooch. »Kein Krankenwagen. Kommt, Leute.« Er tauchte durch das Loch in der Wand.
»Warten Sie! Warten Sie!«
Gooch wartete, bis Arno und Cody das Zimmer ebenfalls verlassen hatten, dann steckte er seinen Kopf durch die Wand hindurch zurück und schaute zu dem Jungen hinunter.
»Okay, warten Sie«, sagte der Junge. »Es war Melbert Reavis.«
»Wer ist Melbert Reavis?«, fragte Gooch. Er war sicher, dass er den Namen kannte. Er konnte ihn aber nicht einordnen.
»Wer ist Melbert Reavis? «, fragte der Junge, als könnte er es gar nicht glauben.
»Er ist ein Typ, den MeChelle verknackt hat, nachdem Sie letztes Jahr ausgestiegen sind«, sagte Cody zu Gooch. »Ein Dealer aus Cabbagetown. Sie hat ihn wegen Mordes festgenommen.«
Gooch runzelte die Stirn. Plötzlich sah das Ganze gar nicht so aus, wie er erwartet hatte. Ein Dealer? Bisher hatte alles darauf hingedeutet, dass derjenige, der
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