Blindes Vertrauen
ist Tag und Nacht bei Ihnen«, sagte George.
»Sie versorgt Sie ausgezeichnet, und Sie waren bisher eine ideale Patientin.«
Vanessa war verwirrt und desorientiert. Dieses Zimmer kam ihr irgendwie bekannt vor, aber sie konnte sich nicht daran erinnern, wo sie es schon einmal gesehen hatte. »Warum hänge ich am Tropf?«
»Damit Sie genug Flüssigkeit bekommen«, erklärte der Arzt ihr. »Sie haben lange nichts trinken können.«
Die Krankenschwester war dabei, ihren Blutdruck zu messen.
»Bin ich krank?« fragte sie, von plötzlicher Panik erfaÃt. Was verschwiegen sie ihr? Hatte sie einen Unfall gehabt und ein Bein verloren? Hatte sie Krebs im Endstadium? Hatte man auf sie geschossen?
Diese beängstigenden Möglichkeiten wurden augenblicklich durch die schreckliche Wahrheit verdrängt: David hatte sie hier unterbringen lassen.
»Wo ist David? Ich möchte mit ihm reden.«
»Der Präsident ist an der Westküste«, erklärte George ihr mit unverändert freundlichem Lächeln. »Aber ich glaube, daà er heute abend zurückkommt. Vielleicht können Sie später mit ihm reden.«
»Wozu brauche ich eine Pflegerin? Liege ich im Sterben?«
»Natürlich nicht, Mrs. Merritt. Bleiben Sie bitte liegen«, sagte George und drückte sie sanft ins Kissen zurück, als sie sich aufsetzen wollte. Er sah zu Jayne Gaston hinüber. »Wir müssen sie noch etwas mehr sedieren.«
»Aber, Dr. Allan â¦Â«
»Bitte, Mrs. Gaston.«
»GewiÃ, Doktor.« Sie verlieà den Raum.
»Wo ist mein Vater?« fragte Vanessa. Ihre Stimme klang selbst in ihren eigenen Ohren weit entfernt und schwach. »Ich
möchte Daddy sehen. Rufen Sie ihn an. Er soll kommen und mich holen.«
»Tut mir leid, Vanessa, aber das geht nicht. Dazu müÃte ich erst Davids Erlaubnis einholen.«
Die Schwester kam mit einer Spritze zurück. Sie gab Vanessa eine Injektion in den Oberschenkel.
»Sie erholen sich viel schneller, wenn Sie sich entspannen und uns für Sie sorgen lassen«, erklärte George seiner Patientin freundlich.
»Was fehlt mir überhaupt? Ist das Baby schon da?«
Jayne Gaston sah zu Dr. Allan hinüber. »Die Ãrmste bildet sich ein, noch schwanger zu sein.«
George nickte grimmig.
»Mein Baby«, schluchzte Vanessa. »Habt ihr mein Baby?«
»Gehen wir lieber, damit sie sich ausruhen kann.«
»Bitte nicht«, sagte Vanessa heiser. »VerlaÃt mich nicht. Ihr haÃt mich alle! Das weià ich genau. Was verschweigt ihr mir? Mein Baby ist tot, oder?«
Dr. Allan machte der Schwester ein Zeichen, sie solle ihm folgen. Mrs. Gaston schloà leise die Tür hinter ihnen.
Vanessa versuchte, sich an etwas zu erinnern. Es war wichtig, aber sie bekam es nicht zu fassen. Sie muÃte konzentriert nachdenken, muÃte sich erinnern. Es gab etwas, an das sie sich erinnern muÃte. Aber was?
Dann entrang sich ihr ein lautes Stöhnen. Sie sah wieder den leblosen kleinen Körper vor sich, den sie aus dem Kinderbett gehoben hatte. Sie hörte wieder das Echo ihrer eigenen Schreie, wie sie in dieser Nacht durch die Korridore des WeiÃen Hauses gehallt waren.
»Mein Baby«, schluchzte sie. »Mein Baby. O Gott, es tut mir leid!«
Ihr Schmerz lähmte sie jedoch nicht, sondern elektrisierte sie
geradezu. Obwohl sie kein bestimmtes Ziel hatte, wuÃte sie, daà sie nicht länger untätig im Bett liegen durfte. Ohne auf den Schmerz zu achten, rià sie das Pflaster ab, das die Nadel auf ihrem Handrücken fixierte. Sie unterdrückte die Ãbelkeit und zog den kleinen Katheter aus der Vene.
Als sie sich aufzusetzen versuchte, hatte sie das Gefühl, ein Amboà laste auf ihrer Brust, der sie in die Kissen zurückdrücke. Indem sie sämtliche Kraftreserven mobilisierte, gelang es ihr endlich, sich doch aufzusetzen. Der Raum drehte sich vor ihren Augen. Die Bäume vor dem Fenster schienen mit fünfundvierzig Grad Schräglage zu wachsen. Sie würgte, ohne sich übergeben zu können.
Ihr Gehirn schien auÃerstande zu sein, den Beinen Befehle zu senden. Sie muÃte sich fünf Minuten lang ungeheuer anstrengen, um sie nur über die Bettkante zu schieben. Dann baumelten ihre FüÃe über dem Boden, während sie gegen Ãbelkeit und wiederkehrende Schwindelanfälle ankämpfte. SchlieÃlich brachte sie den Mut und die Kraft auf,
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