Blindes Vertrauen
Familienkreis unter dem Weihnachtsbaum Geschenke auspackte.
»Neulich in Wyoming hast du mir erzählt, deine Kenntnisse als Rancher hättest du von deinem Vater.«
»Er hat immer eine eigene Rinderherde gehabt. Aber gelebt hat er von seiner Landmaschinen- und Autowerkstatt. Im ganzen Staat hat es keinen Motor gegeben, den er nicht hätte reparieren können. Und Mutter war als Mechanikerin fast so gut wie er.«
Barrie sah einen seltenen weichen Zug um seinen strengen Mund. »Du hast sie geliebt.«
Gray zuckte mit den Schultern. »Ich war damals noch klein. Alle Kinder lieben ihre Eltern.«
Auch wenn sie es nicht verdient haben, dachte Barrie. »Bei wem bist du nach dem Tod deiner Eltern aufgewachsen?«
»Abwechselnd bei beiden GroÃeltern. Sehr anständige Leute. Sie sind jetzt alle tot.«
»Geschwister?« fragte sie.
»Eine Schwester. Sie lebt noch immer in Grady. Vier Kinder, mit einem Wirtschaftsprüfer verheiratet, der Präsident des Schulausschusses und Diakon der Baptistengemeinde ist.«
»Es muà nett sein, wenn man Nichten und Neffen hat, die man verwöhnen kann.«
»Wir sehen uns nie.«
»Wie kommt das?«
»Mein Schwager hält mich für gefährlich.«
»Und bist du das?«
Gray sah zu ihr hinüber. Sein Laserblick schien durch sie hindurchzugehen. »Hast du das noch nicht gemerkt?«
»Doch.« Sie senkte ihren Blick. »Ich glaube, daà du sehr gefährlich sein kannst.«
Als sie dann nach vorn durch die Windschutzscheibe starrte, fiel ihr auf, daà die Abenddämmerung unmerklich in tiefe Dunkelheit übergegangen war. Die Wälder zu beiden Seiten der zweispurigen ÃberlandstraÃe waren schwarz. Barrie zögerte einen Augenblick, bevor sie fragte: »Du erinnerst dich an den Anruf, den ich bekommen habe, bevor wir bei Daily weggefahren sind? Das war mein Informant im Justizministerium.«
»Du hast einen Informanten im Justizministerium?«
»Ist das so überraschend?«
»Wer? In welcher Abteilung? In welcher Position?«
»Du weiÃt, daà ich das nicht verraten darf.«
»Na schön, dann können wir nur hoffen, daà der Kerl keiner von Spencers Maulwürfen ist.«
Barrie ignorierte diese Spitze und sagte: »Mein Informant hat mir mitgeteilt, daà du heute unter vier Augen mit Merritt gesprochen hast.«
»Ja, das stimmt.«
»Komisch, daà du Daily und mir nichts davon erzählt hast.«
»So wichtig war die Sache nicht.«
»Du hast eine Viertelstunde allein mit dem Präsidenten gesprochen  â und das soll nicht wichtig gewesen sein?«
»Ich bin zufällig reingeschneit â¦Â«
»Reingeschneit? Ich könnte zufällig reinschneien, aber mir würde David Merritt bestimmt keine Privataudienz gewähren.«
»Ich habe Freunde im Secret Service. Ich bin unangemeldet aufgekreuzt, um seine Reaktion auf mein Auftauchen beobachten zu können.«
»Und die war?«
»Er hat sich beinahe in die Hose gemacht.«
Gray faÃte den Inhalt ihres Gesprächs zusammen, dann fügte er hinzu: »Ich habe ihn wissen lassen, daà Spencer seinen letzten Auftrag nicht ausgeführt hat.«
»Und das war alles?«
»Richtig.«
»Vielleicht.«
Er warf ihr einen miÃtrauischen Blick zu. »Warum hat dein Informant dich wegen meines Besuchs bei David angerufen?«
»Aus Sorge um meine persönliche Sicherheit. Mein Informant ist etwas nervös wegen der Gesellschaft, in der ich mich bewege. Zum Beispiel hat man angedeutet, der Präsident könnte dich dazu benützen, einer lästigen Reporterin, die er zum Schweigen bringen möchte, eine Falle zu stellen.«
»Ich arbeite nicht mehr für den Präsidenten.«
»Das behauptest du. Aber ich frage mich, wie vielschichtig dein Verhältnis zu den Merritts wohl ist. Du warst erst Davids Blutsbruder und später der Liebhaber seiner Frau. Das könnte alle möglichen Konflikte mit sich bringen.«
Seine Hände umklammerten das Lenkrad fester. »Warum sagst du nicht einfach, was du wirklich denkst?«
»Ich denke, daà du dich vielleicht in einem unlösbaren Loyalitätskonflikt befindest.«
Er funkelte sie erneut an, ohne ihre Unterstellung jedoch zu bestätigen oder zurückzuweisen.
»Ist in eurem Gespräch mein Name gefallen?« wollte Barrie wissen.
Er nickte.
»In welchem
Weitere Kostenlose Bücher