Blindes Vertrauen
mit Bundesrichter Green. Du kriegst ein Ei ins Gesicht und sitzt in der ScheiÃe.«
»Was war mit Bundesrichter Green?« fragte Gray.
»Nichts«, fauchte Barrie. Sie funkelte Daily aufgebracht an, zerteilte die Luft mit einem heftigen Handkantenschlag und sagte: »Schluà der Debatte! Ich fahre hin.«
Wenn sie ihren Camcorder bei sich gehabt hätte, wäre sie gar nicht erst zu Dailys Haus zurückgefahren und hätte die beiden über ihr Vorhaben informiert. Aber das Gerät, das sie vor kurzem als Ersatz für ihren bei der Explosion verbrannten Camcorder gekauft hatte, lag noch in seinem Karton in Dailys Gästezimmer. Barrie hatte die Akkus eingesetzt, lieà das Gerät zur Probe kurz laufen, steckte es dann in ihre Umhängetasche und wandte sich an ihre besorgten Mitstreiter. »Also, drückt mir die Daumen!«
Daily war so auÃer sich, daà er keuchend nach Luft zu ringen begann. Er wandte sich an Gray. »Du bist der Marineinfanterist. Irgendwelche Ideen?«
»Absolut keine, auÃer sie an Händen und FüÃen zu fesseln. Aber ich begleite sie. Vermutlich kriegt sie es hin, daà wir beide erschossen werden.« Das sagte er, während er sich seine Pistole in den Hosenbund steckte.
In diesem Augenblick meldete sich Barries Piepser.
»Einer deiner Informanten?« fragte Daily.
»AuÃer dir sind sie die einzigen, die diese Nummer haben.«
Die im Display angezeigte Telefonnummer sagte ihr nichts, aber die Stimme, die sich offenbar von einer Telefonzelle aus meldete, erkannte sie sofort. Im Hintergrund waren Verkehrsgeräusche zu hören. Der Informant verlor keine Zeit, ihr seine Mitteilung zu machen, und hängte dann sofort ein.
Barrie lieà nachdenklich den Hörer sinken und sah zu Gray auf. »Also los, wenn du mitkommen willst.«
»Wer war das?« fragte Daily, der ihnen mit seinem Wägelchen zur Haustür folgte. »Ein Anruf wegen Highpoint?«
»Nein, nichts Wichtiges«, antwortete Barrie, aber ihr schwaches Lächeln paÃte nicht recht dazu. »Wir rufen dich an, sobald wir was wissen. Versuch inzwischen, dich ein biÃchen auszuruhen.«
»Und ihr versucht, möglichst heil zu bleiben. Ich möchte euch im Gefängnis besuchen können.«
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»Woher in Louisiana?«
»Wie bitte?«
»Du hast erzählt, daà du aus Louisiana stammst. Aus welcher Stadt?«
»Bloà eine bessere StraÃenkreuzung«, sagte Gray. »Den Namen hast du nie gehört.«
»Ich war in Erdkunde immer gut.«
»Grady.«
»Nie gehört«, gab Barrie zu.
Gray fuhr angespannt, hielt das Lenkrad mit beiden Händen umklammert. Sie waren nach Südwesten ins ländliche Virginia unterwegs. Ein Panorama aus sanft gewellten Weideflächen, Gestüten und Wäldern bot sich ihnen dar, aber keiner der beiden schien darauf zu achten.
Das waren die ersten Worte, die sie seit ihrer Abfahrt gewechselt hatten. Barrie, die das feindselige Schweigen und ihre eigenen sorgenvollen Gedanken keine Minute länger ertragen konnte, hatte ein â wie sie hoffte â neutrales Thema angeschnitten.
»Wie war es denn, dort aufzuwachsen?«
»In Ordnung.«
»Gute Kindheit?«
»War ganz okay.«
»Schlecht?«
»Habâ ich schlecht gesagt?«
»Dann war sie also gut?«
»Sie war okay . Okay?«
»Reià mir doch nicht gleich den Kopf ab! Mich interessiert nur, wo ein Mann wie du herkommt.«
»Ein Mann wie ich?« wiederholte er spöttisch. »Was für ein Mann bin ich denn?«
Sie brauchte einen Augenblick, um eine Antwort zu finden, die ihr gefiel. »Ein groÃer, nervtötender.«
Er lächelte tatsächlich, wenn auch nur flüchtig.
»Eltern?« fragte sie.
»Zwei.«
»Jetzt nerv mich nicht, Bondurant.«
Nach kurzer Pause sagte er: »Meine Eltern sind umgekommen, als ein Tornado, der sich aus einem Hurrikan entwickelt hatte, ihre Werkstatt in Trümmer gelegt hat.«
»Das tut mir leid«, sagte sie aufrichtig. »Wie alt warst du damals?«
»Neun. Ungefähr.«
Es fiel ihr schwer, das zu begreifen â nicht die Tatsache, daà seine Eltern bei einem Tornado umgekommen waren, sondern daà er wirklich einmal ein Kind gewesen war. Sie konnte ihn sich nicht als sorglosen kleinen Jungen vorstellen, der mit anderen Kindern spielte, auf Geburtstagsfeiern fröhlich lachte und im
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