Blindes Vertrauen
nicht umgebracht, und sie hätte auch sich nicht umgebracht.«
Barrie griff impulsiv über den Tisch und legte Gray eine Hand auf den Arm. Ihre Berührung lieà ihn zusammenzucken. Er betrachtete erst ihre Hand, dann hob er den Kopf und sah ihr ins Gesicht.
»Es tut mir leid, Gray«, sagte sie. »Ich weiÃ, daà du Vanessa geliebt hast. Das Babyâ¦Â« Sie zögerte kurz. »Es war deins, oder?«
»Welchen Unterschied macht das?« knurrte er und schüttelte ihre Hand ab. »Es ist tot â und sie auch.«
Diese Zurückweisung traf Barrie schwer. Selbst ihr Vater, der allerdings nur selten zu Hause gewesen war, hatte sie nie körperlich abgewiesen oder bewuÃt gekränkt.
»Zum Teufel mit dir, Bondurant!«
Sie glitt von der Bank, stand auf und wollte einfach gehen und ihn seinem Elend überlassen. Wenn sie nicht jeden Augenblick Senator Armbruster erwartet hätte, hätte sie das auch getan. Statt dessen ging sie auf die Toilette. Dort stützte sie sich mit beiden Händen auf den Waschbeckenrand, bis sie den Mut fand, den Kopf zu heben und sich im Spiegel zu betrachten. Vielleicht ärgerte sie sich weniger über Gray als über sich selbst. Sein Schmerz saà tief, seine Gefühle waren ehrlich. Barrie dagegen befand sich in einem Gefühlskonflikt. Der Zwiespalt zwischen ihrem professionellen Instinkt und ihrem Gewissen stürzte sie in ein moralisches Dilemma.
Sie war Augenzeugin eines Ereignisses, das Geschichte machen würde. Das Karrierepotential dieser Story war geradezu schwindelerregend. Wenn sie sich vorstellte, die erste und einzige Reporterin zu sein, die vom Brennpunkt des Geschehens aus berichten würde â¦
Aber der unverdiente Tod einer Frau war nichts, was man bejubeln konnte â vor allem nicht, wenn man persönlich davon betroffen war. Wäre Vanessa auch dann ermordet worden, wenn Barrie aufgehört hätte, sich für den rätselhaften Tod ihres kleinen Sohnes zu interessieren? War sie bei der Verfolgung einer heiÃen Story zu weit gegangen? War sie mit für die Ereignisse veranwortlich, die zu dieser Tragödie geführt hatten, oder war Vanessas Schicksal längst besiegelt gewesen, als sie Barrie zu einem Kaffee eingeladen hatte?
Das Schlimmste war, daà sie das nie erfahren würde. Diese quälenden Fragen würden sie ihr Leben lang verfolgen.
Sie wusch sich gründlich die Hände, dann drückte sie ein feuchtes Papierhandtuch auf ihr Gesicht. Als sie die Toilette verlieÃ, sah sie Clete Armbruster auf den Eingang zukommen. Sie begrüÃte ihn an der Tür.
»Senator Armbruster.« Plötzlich merkte sie, daà sie sich nicht zurechtgelegt hatte, was sie sagen würde. Er wirkte wie immer ziemlich einschüchternd. Für sie war es nicht erfreulich, ihm mitteilen zu müssen, daà seine Tochter tot war. »Danke, daà Sie gekommen sind«, fügte sie lahm hinzu.
»Junge Dame, ich kann bloà hoffen, daà Sie mich aus einem verdammt guten Grund mitten in der Nacht aus dem Bett geholt haben«, sagte er, während er ihr zu ihrem Tisch folgte. »Ich wäre gar nicht gekommen, wenn ich nichtâ¦Â« Er blieb abrupt stehen, als er Gray Bondurant erkannte.
Gray stand auf. »Clete, wir haben uns lange nicht mehr gesehen.«
Der Senator war über diese Begegnung nicht erfreut. Er schien Gray nicht gerade zu schätzen, und der Grund dafür war leicht zu erraten. Ein Vater hatte natürlich etwas gegen einen Mann, der die Ehre seiner Tochter besudelt hatte â vor allem, wenn sie zufällig noch die First Lady der Vereinigten Staaten
war, so daà mehr als persönliche Tugend auf dem Spiel stand.
»Bondurant.« Er übersah die Hand, die Gray ihm hinstreckte. »Was tun Sie hier?« Er wandte sich an Barrie. »Soll das die groÃe Ãberraschung sein, von der Sie gesprochen haben â diese âºÃ¤uÃerst wichtige Angelegenheitâ¹?«
»Bitte nehmen Sie Platz, Senator. Geben Sie uns Gelegenheit, alles zu erklären. Möchten Sie einen Kaffee?«
»Nein.« Er setzte sich auf eine Seite des Tisches; Barrie und Gray teilten sich die andere Sitzbank. Armbruster fixierte Gray und stellte fest: »Sie sind weit von Montana weg.«
»Ich lebe in Wyoming, und ich bin nicht aus eigenem Wunsch hier.«
»Ich habe noch nie erlebt, daà Sie etwas tun, was Sie gar nicht tun
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