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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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besten seines Fachs gehört und die Tricks und Kniffe des Sports
     aus dem Effeff beherrscht. Es sollte daher wohl niemanden überraschen, dass jemand wie er in der Lage ist, einen Aufschlag
     in einem winzigen Augenblick zu erfassen. Darin unterscheidet er sich nicht von einem Kunstexperten, der sich den Getty-Kouros
     ansieht und auf den ersten Blick erkennt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Irgendetwas an der Körperhaltung des Spielers,
     am Wurf des Balls oder der Flüssigkeit des Bewegungsablaufs legt in seinem Unbewussten einen Schalter um. Instinktiv erkennt
     er die Handschrift des Doppelfehlers. Es scheint, als würde er eine dünne Scheibe der Aufschlagbewegung herausschneiden und
     –
Blink!
– weiß er, ob es ein Doppelfehler wird oder nicht. Aber genau hier ist das Problem: Sehr zu seinem eigenen Leidwesen kann
     Braden nicht sagen,
warum
er weiß, was er weiß.
    Was habe ich da nur gesehen?, fragte er sich. »Wie oft habe ich nachts wach im Bett gelegen und mich gefragt, was ich da bloß
     gesehen hatte. Ich hatte keine Ahnung. Es hat mich schier wahnsinnig gemacht«, so Braden selbst. »Vor meinem geistigen Auge
     habe ich die Aufschläge immer wieder ablaufen lassen, um es zu verstehen. Ist der Spieler irgendwo gestolpert? Hat er einen
     zusätzlichen Schritt gemacht? Hat er den Ball vorher einmal mehr aufgedopst oder ihm einen zusätzlichen Drall gegeben? War
     da irgendetwas, was den Bewegungsablauf gestört hätte?« Die Hinweise, die er für seine Vorhersagen benutzte, schienen irgendwo
     in seinem Unbewussten verborgen, zu dem er keinen Zugang hatte.
    |56| Dies ist der zweite entscheidende Faktor, den wir beachten müssen, wenn wir über Gedanken und Entscheidungen sprechen, die
     aus unserem Unbewussten emporsteigen. Spontanurteile kommen, wie der Name sagt, spontan zustande: Sie basieren auf allerdünnsten
     Scheibchen der Erfahrung. Und sie laufen unbewusst ab. Im Experiment der Psychologen aus Iowa begannen die Spieler die roten
     Karten zu meiden, lange bevor sie sich dieser Tatsache bewusst wurden. Sie benötigten 70 weitere Karten, bis die Botschaft
     auch in ihrem bewussten Denkprozess angekommen war. Als Harrison, Hoving und die griechischen Experten den Getty-Kouros sahen,
     verspürten sie instinktiv ein Gefühl der Ablehnung, spontan gingen ihnen Wörter durch den Kopf, und Harrison platzte heraus:
     »Es tut mir Leid, das zu hören.« Aber in diesem ersten Moment des Zweifels waren sämtliche Beteiligten weit davon entfernt,
     genau in Worte fassen zu können, was dieses Misstrauen ausgelöst hätte. Hoving hat mit vielen Kunstexperten gesprochen, die
     sich darauf spezialisiert haben, Fälschungen zu entlarven, und sie alle beschreiben den Prozess als äußerst unpräzise und
     intuitiv. Hoving sagt, sie empfänden eine Art »mentalen Schub, eine Unmenge visueller Daten, die ihr Hirn überfluten, während
     sie ein Kunstwerk betrachten. Einer dieser Fälschungsexperten beschrieb die Erfahrung, als wären seine Augen und seine Sinne
     ein Schwarm Kolibris, die zwischen verschiedenen Blüten hin- und herschwirren. In Minuten, manchmal innerhalb weniger Sekunden
     entdeckt der Fälschungsexperte eine Unzahl von Dingen, die ihm zurufen: ›Achtung!‹«
    Über den Kunsthistoriker Bernard Berenson schreibt Hoving: »Er konnte seine Kollegen damit verrückt machen, dass er nicht
     in der Lage war, ihnen zu erklären, wie er die kleinen Defekte und Widersprüchlichkeiten in einem Kunstwerk entdeckte, die
     es als Fälschung entlarvten. In einem Fall, der vor Gericht verhandelt wurde, konnte Berenson nur aussagen, dass er ein flaues
     Gefühl im Magen und ein seltsames Klingeln in den Ohren gehabt habe und dass er sich einen Moment lang merkwürdig bedrückt
     gefühlt |57| habe. Das ist kaum eine wissenschaftliche Erklärung, wie er darauf gekommen war, dass es sich bei einem Kunstwerk um eine
     Fälschung handelte. Aber mehr konnte er einfach nicht sagen.«
    Spontanentscheidungen und plötzliche Erkenntnis finden hinter einer verschlossenen Tür statt. Vic Braden versuchte, diese
     Tür zu öffnen und in den Raum dahinter zu sehen. Er brachte Nächte damit zu herauszufinden, was einen Doppelfehler ausmacht
     und was er entdeckt haben mochte. Doch er kam nicht dahinter.
    Die meisten von uns können schlecht mit dieser verschlossenen Tür leben. Es ist eine Sache, um die ungeheure Macht unserer
     Intuition und unserer Spontanentscheidungen zu wissen, aber eine ganz andere, sich auf einen

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