Blink! - die Macht des Moments

Und das, obwohl
     Sie ihn weder kennen noch mit ihm befreundet sind. Sie haben ihn höchstens in ein paar Filmen gesehen, in denen er eine ganz
     Reihe unterschiedlicher Rollen gespielt hat. Trotzdem haben Sie aus diesen dünnen Scheibchen der Begegnung einige wichtige
     Informationen herausgefiltert, und dieser Eindruck hat wiederum einen großen Einfluss darauf, wie Sie seine Filme sehen. »Jeder
     sagte mir vorher, er könnte sich Tom Hanks nicht als Astronaut vorstellen,« erzählt Brian Grazer von seinem Casting des Films
Apollo 13.
»Ich weiß nicht, ob Tom Hanks in diesem Film ein echter Astronaut ist. Aber mir geht es in diesem Film um eine Raumkapsel
     in Not. Und wen will das Publikum wieder zurück auf der Erde haben? Tom Hanks. Wir wollen nicht, dass er im Weltraum ums Leben
     kommt. Dazu mögen wir ihn viel zu sehr.«
    Wenn wir nicht in der Lage wären, unsere Erfahrungen in dünne Scheibchen zu schneiden – wenn wir jemanden wirklich erst monatelang
     kennen müssten, um an sein wahres Selbst zu kommen –, dann wäre
Apollo 13
nicht spannend und
Splash
nicht lustig. Wären wir nicht in der Lage, komplexe Situationen in Bruchteilen von Sekunden zu erfassen, dann gäbe es keinen
     Fußball und keine Vogelkunde.
    |53| Vor kurzem überarbeiteten Psychologen aus John Gottmans Liebeslabor die Tests zur Vorhersage von Scheidungen, die ich so verwirrend
     fand. Sie wählten eine Reihe von Videos aus und führten sie Laien vor – mit dem Unterschied, dass sie diesmal den Testpersonen
     einige Hilfestellungen mitgaben. Sie zerlegten die Clips in Segmente zu je 30 Sekunden und erlaubten den Betrachtern, sich
     jedes Segment zweimal anzusehen, einmal, um sich auf den Mann zu konzentrieren, und ein weiteres Mal, um die Frau zu beobachten.
     Außerdem gaben die Psychologen den Testpersonen eine Liste mit verschiedenen Gefühlen an die Hand, nach denen sie Ausschau
     halten sollten. Diesmal waren die Zuschauer in der Lage, mit achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit vorherzusagen, welche Ehe
     halten würde. Das ist nicht ganz so gut wie Gottman. Aber es ist eindrucksvoll. Es sollte uns jedoch nicht weiter verwundern:
     Wenn es ums Scheibchenschneiden geht, sind wir alte Hasen.

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    |54| Kapitel 2
Hinter verschlossenen Türen
    Das geheime Leben unserer Intuition
     
    Jedes Mal, wenn Vic Braden, einer der führenden Tennistrainer der Welt, sich ein Tennismatch ansah, machte er eine seltsame
     Feststellung. Beim Tennis hat jeder Spieler zwei Aufschläge. Wenn er beim ersten Aufschlag einen Fehler macht, bekommt er
     einen zweiten, und wenn er diesen ebenfalls verschlägt, geht der Punkt an seinen Gegner. Man spricht dann von einem Doppelfehler.
     Braden stellte nun fest, dass er jedes Mal genau vorhersagen konnte, wann ein Spieler einen solchen Doppelfehler machen würde.
     Wenn der Spieler den Ball in die Luft warf und mit seinem Schläger ausholte, dann rief Braden, noch ehe der Schläger den Ball
     berührte: »Oh nein, Doppelfehler!« Und tatsächlich flog der Ball ins Netz oder ins Aus. Es schien völlig gleichgültig zu sein,
     ob er sich Männer- oder Frauentennis ansah, ob er auf der Tribüne oder zu Hause vor dem Fernseher saß, ob er die Spieler kannte
     oder nicht. »Ich habe Doppelfehler bei russischen Spielerinnen vorhergesehen, die ich in meinem ganzen Leben noch nie gesehen
     hatte«, sagt Braden. Und das hatte auch nichts mit Glück zu tun: Glück ist, wenn Sie eine Münze werfen und korrekt vorhersagen,
     ob Kopf oder Zahl oben landet. Aber Doppelfehler kommen im Profitennis sehr selten vor. Es kann durchaus passieren, dass ein
     Spieler ein ganzes Match hindurch Hunderte von Malen aufschlägt und dabei vielleicht drei oder vier Doppelfehler macht. Einmal,
     bei einem Turnier in Indian Wells, in der Nähe seines Zuhauses in Südkalifornien, beschloss Braden, eine Strichliste zu führen,
     und stellte fest, dass er sechzehn von siebzehn Doppelfehlern |55| richtig vorhersagen konnte. »Eine Zeit lang war ich so gut, dass ich es fast mit der Angst zu tun bekam. Von 20 Möglichen
     hatte ich 20 Richtige – und wir reden hier über Profis, die kaum Doppelfehler machen.«
    Braden ist über 70. Als junger Mann zählte er zu den Weltklassespielern, und während der vergangenen 50 Jahre hat er die besten
     Spieler der Welt trainiert oder beraten. Er ist ein kleiner Mann, der vor Energie nur so sprüht. Jeder, der in der Welt des
     Tennis zu Hause ist, wird bestätigen, dass Vic Braden zu den