Blink! - die Macht des Moments
der Universität New York, Mark Chen und Lara Burrows, ein Experiment im Korridor gleich neben der Tür von Barghs
Büro durch. Sie ließen zwei Gruppen Studenten je einen solchen Satzbau-Test machen. Eine Fassung enthielt Wörter wie »aggressiv«,
»dreist«, »unhöflich«, »ärgern«, »stören«, »eindringen« und »unterbrechen«. Die zweite dagegen war durchsetzt mit Wörtern
wie »respektieren«, »aufmerksam«, »würdigen«, »geduldig«, »nachgeben«, »höflich« und »freundlich«. In keinem |60| der Fälle kamen so viele ähnliche Wörter vor, dass die Studenten das Spiel durchschaut hätten (wenn Sie bemerken, dass Sie
»geprimt« oder »eingestellt« werden, dann funktioniert das Experiment nicht mehr). Nachdem sie den Test gemacht hatten, was
kaum mehr als fünf Minuten dauerte, sollten die Studenten den Gang hinuntergehen, den Fragebogen im Büro des Testleiters abgeben
und sich eine neue Aufgabe abholen.
Bargh hatte das Experiment jedoch so eingerichtet, dass die Studenten nicht sofort mit dem Testleiter sprechen konnten: Jedes
Mal, wenn einer der Studenten mit dem ausgefüllten Fragebogen in der Hand zu dem Büro kam, befand dieser sich im Gespräch
mit einer anderen Person, die in der Tür stand und den Zugang versperrte. Bargh wollte herausfinden, ob die Studenten, die
mit den höflichen Wörtern eingestellt worden waren, länger brauchen würden, um das Gespräch zu unterbrechen, als die andere
Gruppe, die mit den unhöflichen Vokabeln geprimt worden war. Er wusste genug über die seltsame Macht des Unbewussten, um schon
eine ungefähre Ahnung zu haben, wie das Experiment verlaufen würde, doch er nahm an, dass der Unterschied zwischen beiden
Gruppen eher gering ausfallen würde. Als Bargh sich bei der Verwaltung der Universität die Erlaubnis für das Experiment eingeholt
hatte, hatte diese ihm zur Auflage gemacht, das Gespräch und damit die Dauer des Experiments auf zehn Minuten zu begrenzen.
»Wir haben nur gelacht und dachten, das soll wohl ein Witz sein«, erinnert sich Bargh. »Wir dachten, der Unterschied würde
sich im Bereich von Tausendstel Sekunden bewegen, und hatten entsprechend feine Messgeräte aufgestellt. Wir dachten, das sind
alles New Yorker, die stehen keine zehn Minuten im Gang herum, um einen Fragebogen abzugeben. Wir dachten, die halten das
höchstens ein oder zwei Minuten aus.«
Doch John Bargh und seine Kollegen hatten sich verrechnet. Die Studenten, die mit den unhöflichen Vokabeln eingestellt worden
waren, platzten in der Tat irgendwann in das Gespräch, und zwar im Durchschnitt nach rund fünf Minuten. Aus der anderen |61| Gruppe jedoch, die mit den höflichen Wörtern eingestellt worden war, unterbrach die überwiegende Mehrheit, nämlich 82 Prozent,
das Gespräch
überhaupt nicht.
Wäre das Experiment nicht nach zehn Minuten zu Ende gewesen – wer weiß, wie lange sie noch geduldig im Gang gewartet hätten,
mit einem höflichen Lächeln auf den Lippen!
»Das Experiment wurde unmittelbar neben meinem Büro durchgeführt«, erinnert sich Bargh. »Ich musste mir dasselbe Gespräch
wieder und wieder anhören. Jede Stunde kam eine neue Testperson. Es war
sterbenslangweilig.
Die Studenten kamen den Gang entlang und sahen, dass eine Frau in der Tür stand und sich mit dem Testleiter unterhielt. Die
Frau wiederholte immer wieder, sie verstünde nicht, was sie genau machen solle. Zehn Minuten lang fragte sie immer wieder:
›Wo mache ich das Kreuzchen? Ich verstehe das Ganze nicht.‹« Bei dem Gedanken an das Experiment schüttelt sich Bargh. »Ein
ganzes Semester lang ging das so. Und die Studenten mit den höflichen Vokabeln standen da und hörten sich das geduldig an.«
Vielleicht sollte ich an diesem Punkt betonen, dass Priming nichts mit Gehirnwäsche zu tun hat, sondern eher mit Lenkung oder
Einstimmung. Ich kann Sie nicht dazu bringen, mir persönlichste Details aus Ihrer Kindheit zu erzählen, wenn ich Sie mit Wörtern
wie »Teddy«, »Fläschchen« oder »Spielzeug« füttere. Ich kann Sie auch nicht programmieren, eine Bank auszurauben und mir die
Beute auszuhändigen. Andererseits sind die Auswirkungen des Priming alles andere als banal. Die beiden niederländischen Psychologen
Ap Dijksterhuis und Ad van Knippenberg von der Universität Amsterdam führten ein Experiment durch, in dem sie Studenten 42
relativ anspruchsvolle Fragen aus dem Spiel »Trivial Pursuit« beantworten ließen. Die eine
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