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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Hälfte wurde fünf Minuten vor Beginn
     des Tests gebeten, darüber nachzudenken, wie es wohl wäre, Professor zu sein, und sich dazu Notizen zu machen. Diese Gruppe
     beantwortete 55,6 Prozent aller Fragen richtig. Die andere Hälfte sollte sich fünf Minuten lang Gedanken über |62| Fußballrowdys machen. Diese Gruppe kam nur auf 42,6 Prozent richtiger Antworten. Die erste Gruppe wusste nicht mehr als die
     zweite, sie waren weder intelligenter, noch bekamen sie leichtere Fragen vorgelegt. Sie waren in diesem Moment einfach in
     einer »intelligenteren Stimmung«, die Tatsache, dass sie vorher über eine intelligente Person nachgedacht hatten, beeinflusste
     offenbar ihre Fähigkeit, in einer stressigen Situation rasch Antworten auf schwierige Fragen zu geben. Man sollte hinzufügen,
     dass der Unterschied zwischen 55,6 und 42,6 Prozent beachtlich ist – an der Universität kann das der Unterschied zwischen
     »bestanden« und »durchgefallen« sein.
    Die beiden Psychologen Claude Steele und Joshua Aronson von der Universität Stanford führten eine etwas verschärfte Version
     dieses Tests durch. Sie wählten schwarze Studenten aus und stellten ihnen 20 Fragen aus der Graduate Record Examination (GRE),
     einem standardisierten Eingangstest der US-Universitäten für weiterführende Studiengänge zum Beispiel mit Magisterabschluss.
     Eine Gruppe der Studenten wurde vor Beantwortung der Fragen gebeten, ihre Rassezugehörigkeit anzugeben. Diese Frage schien
     in den Testpersonen alle hinlänglich bekannten Stereotypen über Schwarze und akademische Leistungen wachzurufen: Sie beantworteten
     nur halb so viele Fragen richtig wie eine Vergleichsgruppe, die diese Frage nicht beantworten musste! In den Vereinigten Staaten
     legen wir großen Wert auf diese Standardtests, weil wir davon ausgehen, dass sie eine verlässliche Messlatte für die Leistungen
     und das Wissen der getesteten Person darstellen. Aber das scheint so nicht zuzutreffen: Wenn eine weiße Absolventin einer
     elitären Privatschule bei den Eingangstests der Universitäten besser abschneidet als eine schwarze Absolventin einer innerstädtischen
     staatlichen Schule, dann hängt das möglicherweise weniger damit zusammen, dass sie eine bessere Schülerin ist, als vielmehr
     damit, dass sie weiß ist, eine angesehene Schule besucht und dort täglich mit der Vorstellung »ich bin intelligent« geprimt
     wird.
    |63| Eindrucksvoller noch als die Ergebnisse selbst ist ihr mysteriöses Zustandekommen. Als Sie im Test von eben die Sätze vervollständigt
     haben, sind Sie vermutlich nicht darauf gekommen, dass Sie eingestellt werden sollten, über das Thema »Alter« nachzudenken.
     Warum auch – die Hinweise waren recht subtil. Noch auffälliger ist aber, dass Sie selbst dann nicht bemerkt haben, wie der
     Test Ihr Verhalten beeinflusst, als Sie aus meinem Büro in den Gang hinausgeschlurft sind! In einem seiner Experimente verwendete
     John Bargh ein Brettspiel für zwei Personen. Gewinnen können Sie dieses Spiel nur, wenn Sie lernen, mit Ihrem Mitspieler zusammenzuarbeiten.
     Also stellte er einen Teil der Spieler vorher mit Gedanken zum Thema »Kooperation« ein, und siehe da, sie arbeiteten mit ihrem
     Mitspieler zusammen, und das Spiel verlief erfolgreich. Bargh berichtet: »Nachher fragten wir sie: ›Wie intensiv haben Sie
     mit Ihrem Mitspieler zusammengearbeitet?‹ oder ›Wie groß war Ihr Bedürfnis, mit dem anderen zu kooperieren?‹ Wir verglichen
     die Antworten mit dem Verhalten, das wir beobachtet hatten, und es gab keinerlei Übereinstimmung. Das Spiel dauert eine gute
     Viertelstunde, und am Ende haben die Spieler nicht die leiseste Ahnung, wie sie sich verhalten haben. Was sie über das Spiel
     zu sagen haben, ist völlig willkürlich, wie weißes Rauschen. Das hat mich überrascht. Ich dachte, die Spieler wären wenigstens
     in der Lage, ihr Gedächtnis zu Rate zu ziehen. Aber nichts.«
    Aronson und Steele machten die gleiche Feststellung im Falle der schwarzen Studenten, die die Testfragen so schlecht beantwortet
     hatten, nachdem sie an ihre Rassenzugehörigkeit erinnert worden waren. »Ich habe mich nachher mit diesen Studenten unterhalten
     und sie gefragt: ›Gab es irgend etwas, was Ihre Leistungen beeinträchtigt hat?‹« erzählt Aronson. »Ich habe sie außerdem gefragt:
     ›Hat es Sie gewurmt, dass Sie Ihre Rassenzugehörigkeit angeben mussten?‹ Denn das hatte ganz offensichtlich extreme Auswirkungen
     auf ihre Leistung.

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