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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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roten Karten ein Wespennest waren. Aber zu keinem Zeitpunkt konnten Damasions
     Messgeräte feuchte Hände messen und zu keinem Zeitpunkt hatten die Patienten eine unbewusste Ahnung, dass die blauen Karten
     den roten vorzuziehen sind. Aber auch nachdem sie das Spiel durchschauten hatten, führte das keineswegs dazu, dass sie ihre
     Strategie änderten und den roten Karten aus dem Weg gingen. Auf der bewussten Ebene hatten sie das Spiel zwar verstanden,
     aber dieses Wissen reichte noch nicht aus, ihr Verhalten zu ändern. »Sie verhalten sich ähnlich wie Drogensüchtige«, sagt
     Antoine Bechara, eine der Wissenschaftlerinnen aus Damasios Team. »Drogenabhängige können Ihnen in der Regel sehr genau erklären,
     welche Konsequenzen ihr Drogenkonsum hat. Aber sie sind nicht in der Lage, dieses Wissen auch umzusetzen und ihr Verhalten
     zu ändern. Das Problem sitzt im Gehirn, und wir versuchen mit unseren Untersuchungen herauszufinden, wieso das so ist. Eine
     Verletzung des Vorderstirnlappens führt dazu, dass ihr Wissen und ihre Handlungen entkoppelt werden.« Diesen Patienten fehlt
     der Butler, der sie still und leise in die richtige Richtung bugsiert und einige emotionale Zutaten anrührt, wie etwa den
     Schweiß auf den Handflächen, die uns dazu bringen, das Richtige zu tun. Wir können es uns nicht leisten, in Situationen, in
     denen viel auf dem Spiel steht und die sich rasch entwickeln, emotionslos und rein rational zu handeln, wie diese Vorderstirnlappen-Patienten.
     Wir haben gar nicht die Zeit, stundenlang Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen. Manchmal sind wir besser bedient, wenn die
     Entscheidungen hinter der verschlossenen Tür getroffen werden.
    Unser Problem beim Geschichtenerzählen
    An einem frischen Frühlingsabend kamen zwei Dutzend Männer und Frauen in einem Hinterzimmer einer New Yorker Bar |67| zusammen, um an einem merkwürdigen Ritual mit dem Namen »Speed-Dating« teilzunehmen. Es handelte sich durchweg um Berufstätige
     im Alter von Mitte bis Ende 20, eine Mischung aus Börsianern von der Wall Street, Medizinstudenten und Lehrern, dazu eine
     Gruppe von vier Frauen, die in der nahe gelegenen Zentrale der Juwelierkette Anne Klein arbeiteten. Die Frauen trugen sämtlich
     rote oder schwarze Pullis und Jeans oder eine dunkle Hose. Die Männer trugen, von ein oder zwei Ausnahmen abgesehen, die Manhattaner
     Uniform mit blauen Hemden und schwarzen Hosen. Zu Beginn standen alle steif herum und hielten sich an ihren Drinks fest, bis
     die Koordinatorin, eine auffällige Dame namens Kailynn, das Ritual einläutete und die Spielregeln erklärte.
    Jeder der Herren habe jeweils sechs Minuten Zeit, sich mit jeder der Damen zu unterhalten. Für die Dauer des Abends hätten
     die Damen einen festen Platz auf einem der langen, niedrigen Sofas entlang der Wand rings um den Raum, während die Herren
     von Dame zu Dame rotierten. Jedes Mal, wenn sechs Minuten um waren, würde Kailynn mit einem Glöckchen läuten, was das Zeichen
     für die Herren sei, ein Häuschen weiterzuwandern. Jeder der Teilnehmer bekam einen Sticker mit einer Nummer und ein Formular;
     wenn ihnen nach Ablauf der sechs Minuten ein Gesprächspartner gefallen habe, dann sollten sie die entsprechende Nummer auf
     ihrem Bogen markieren. Wenn zwei Personen Gefallen aneinander gefunden und beide die entsprechende Nummer auf ihrem Bogen
     angekreuzt hätten, dann würde Kailynn beiden innerhalb von 24 Stunden die E-Mail-Adresse des jeweils anderen zuschicken.
    Ein hoffnungsvolles Raunen ging durch die Gruppe. Einige Teilnehmer eilten ein letztes Mal zur Toilette. Dann klingelte Kailynn
     mit ihrem Glöckchen.
    Die Frauen und Männer nahmen ihre Plätze ein, und sofort war der Raum vom Gemurmel der Unterhaltungen erfüllt. Die Stühle
     der Männer waren weit genug von den Sofas der Frauen entfernt, sodass beide sich vorbeugen mussten und ihre Ellenbogen auf
     den |68| Knien hatten. Ein oder zwei Frauen hopsten auf ihren Sofakissen auf und ab. Der Mann an Tisch drei schüttete seiner Gesprächspartnerin
     den gesamten Inhalt seines Bierglases in den Schoß. An Tisch eins feuerte eine Brünette namens Melissa eine Salve von Fragen
     auf ihr Gegenüber ab, in der Hoffnung, etwas aus ihm herauszubringen: »Haben Sie noch Geschwister? Wohnen Sie allein? Wenn
     Sie drei Wünschen frei hätten, was würden Sie sich wünschen?« An Tisch acht fragte ein sehr junger, sehr blonder Mann namens
     David seine Partnerin, warum sie am Speed-Dating

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