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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Die Teilnehmer kreuzen nicht nur an, welcher Gesprächspartner ihnen gefällt,
     sondern sie füllen insgesamt vier Fragebögen aus: Einmal vor Beginn der Veranstaltung, am Ende des Abends, einen Monat später
     und ein halbes Jahr später. In diesen Fragebögen werden sie gebeten, anzugeben, welche Eigenschaften sie sich besonders bei
     einem Partner wünschen. Dazu bewerten sie eine Reihe von möglichen Merkmalen – Attraktivität, gemeinsame Interessen, Sinn
     für Humor, Ehrlichkeit, Intelligenz und Ehrgeiz – mit einer Ziffer zwischen 1 und 10. Zusätzlich bewerten sie am Ende jedes
     Sechs-Minuten-Dates die Person, mit der sie gerade gesprochen haben, anhand eben dieser Kategorien. Am Ende des Abends haben
     Iyengar und Fisman einen recht guten Eindruck davon, was jeder der Teilnehmer über seine Gefühle aussagt. Wenn man sich diese
     Antworten genauer ansieht, wird dieses Bild jedoch mit einem Mal merkwürdig.
    An dem Abend, an dem ich die Veranstaltung mit Sheena Iyengar und Raymond Fisman besuchte, fielen mir zwei Personen besonders
     ins Auge: eine blasse, junge Frau mit blonden Locken und ein groß gewachsener, lebhafter junger Mann mit grünen Augen und
     langen, braunen Haaren. Wie sie wirklich heißen, weiß ich nicht, aber wir nennen sie der Einfachheit halber Mary und John. |71| Ich beobachtete die beiden während der Dauer ihres Gesprächs, und es war sofort klar, dass Mary und John einander gefielen.
     John setzte sich an Marys Tisch, und die beiden sahen einander tief in die Augen. Mary schlug keusch die Lider nieder und
     wirkte ein wenig nervös. Während des Gesprächs beugte sie sich weit nach vorn. Für einen außenstehenden Beobachter ein glasklarer
     Fall sofortiger gegenseitiger Anziehung. Nun wollen wir aber hinter die Kulissen schauen, und ein paar ganz einfache Fragen
     stellen. Zuerst wollen wir wissen, ob Marys Einschätzung von Johns Persönlichkeit etwas mit dem zu tun hat, was Mary vorher
     als Eigenschaften ihres Wunschpartners angegeben hatte. Mit anderen Worten, wie genau kann Mary sagen, welcher Typ Mann ihr
     schließlich gefallen wird? Fisman und Iyengar können diese Frage leicht beantworten, und wenn sie vergleichen, welche Wunscheigenschaften
     die Speed-Dater in ihren Fragebögen angeben und wen sie aus der Gruppe der zwölf möglichen Partner dann tatsächlich auswählen,
     dann stellen sie immer wieder fest, dass die beiden so gut wie nichts miteinander zu tun haben. Mary gab beispielsweise zu
     Beginn des Abends an, besonderen Wert auf Intelligenz und Ehrlichkeit zu legen, aber das heißt keineswegs, dass sie sich nur
     zu intelligenten und ehrlichen Männern hingezogen fühlt. Es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass John, den sie von allen Männern
     am attraktivsten findet, zwar gut aussehend und humorvoll, aber weder ehrlich noch sonderlich intelligent ist. Es fällt noch
     etwas Weiteres auf: Wenn sämtliche Männer, zu denen Mary sich an diesem Abend hingezogen fühlt, in erster Linie gut aussehend
     und humorvoll und erst in zweiter Linie intelligent und ehrlich sind, dann wird Mary am nächsten Tag in ihrem Fragebogen angeben,
     dass sie auf gut aussehende und humorvolle Männer steht. Wohlgemerkt, am nächsten Tag. Einen Monat später wird sie in ihrem
     Fragebogen wieder angeben, dass sie sich einen intelligenten und ehrlichen Mann wünscht.
    Wenn Sie den vorhergehenden Absatz verwirrend fanden, dann kann ich das nur zu gut nachvollziehen. Die ganze Sache ist äußerst |72| kompliziert: Mary sagt von sich selbst, dass sie auf einen bestimmten Typ Mann steht. Aber wenn sie ein Dutzend Männer zur
     Auswahl hat und jemanden trifft, der ihr gut gefällt, dann ändert sie just in diesem Moment ihre Meinung. Aber einen Monat
     später ist sie wieder bei ihrer ursprünglichen Wunschliste angelangt. Welche Eigenschaften wünscht sich Mary denn nun wirklich
     für ihren Partner?
    »Ich habe keine Ahnung«, sagt Sheela Iyengar, als ich ihr diese Frage stelle. »Ist mein wirkliches Selbst dasjenige, das ich
     in meinem Fragebogen beschreibe?«
    Sie macht eine Pause, und Fisman wirft ein: »Nein, mein wirkliches Selbst kommt in meinen Handlungen zum Ausdruck. Das würde
     zumindest ein Wirtschaftswissenschaftler sagen.«
    Iyengar macht ein fragendes Gesicht. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem als Psychologin zustimmen kann.«
    Die beiden finden in diesem Punkt keinen gemeinsamen Nenner. Das liegt jedoch daran, dass es nicht nur eine richtige Antwort
     gibt. Mary

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