Blink! - die Macht des Moments
weniger gewinnend auftreten. Und welche Meinung haben Sie dann von ihm? Es kann gut passieren,
dass Sie im Verlauf des Gesprächs das Bauchgefühl bekommen, dass dieser Bewerber nicht das Zeug dazu hat, die Position auszufüllen,
dass er sehr verschlossen ist und eigentlich gar kein Interesse an der Stelle hat. Die Folge dieser unbewussten Einstellungen:
Das Ergebnis des Bewerbungsgespräches ist eigentlich von vorneherein klar.
Oder was ist, wenn der Bewerber auffällig groß gewachsen ist? Ich bin mir sicher, dass wir auf einer bewussten Ebene niemals
denken würden, dass wir große Menschen anders behandeln als kleine. Doch es gibt zahlreiche Beweise, dass wir insbesondere
bei |93| Männern Körpergröße mit positiven Eigenschaften belegen. Ich habe rund die Hälfte der Unternehmen auf der Fortune-500-Liste
über ihre Vorstandsvorsitzenden befragt. Es überrascht vermutlich niemanden, dass die Spitzenmanager der größten Konzerne
mehrheitlich Männer weißer Hautfarbe waren, was auf gewisse kulturelle Vorurteile schließen lässt. Aber die meisten dieser
Männer waren zudem noch außergewöhnlich groß gewachsen: Meine Umfrage zeigt, dass in meiner Auswahl von Unternehmen der durchschnittliche
männliche Vorstandsvorsitzende rund 1,82 Meter misst. Wenn man dem gegenüberstellt, dass der durchschnittliche männliche US-Bürger
rund 1,75 Meter groß ist, dann bedeutet das, dass die Vorstandsvorsitzenden als Gruppe rund sieben Zentimeter größer sind
als der Rest ihrer Geschlechtsgenossen. Deutlicher wird der Unterschied, wenn wir uns klar machen, dass 14,5 Prozent aller
Männer in den USA über 1,82 groß sind, während die Quote unter den Spitzenmanagern der Fortune-500-Firmen bei 58 Prozent liegt.
3,9 Prozent aller erwachsenen männlichen US-Bürger messen 1,88 Meter oder mehr, unter den Vorstandsvorsitzenden sind es dagegen
fast ein Drittel.
Die geringe Zahl von Frauen und Angehörigen von Minderheiten unter den Vorstandsvorsitzenden lässt sich noch plausibel erklären.
Jahrzehntelang verhinderten gesellschaftliche Vorurteile und die gläserne Decke, dass diese Gruppen bis in die Führungsspitze
von US-Unternehmen gelangten. Wenn also heute das Direktorium eines Unternehmens Spitzenpositionen neu besetzen will, dann
kann es immer noch glaubwürdig argumentieren, es gebe einfach nicht genügend erfahrene Frauen und Minderheiten unter den Nachwuchskräften.
Das trifft jedoch nicht auf klein gewachsene Menschen zu. Es ist vielleicht möglich, eine Firma ausschließlich mit weißen
Männern zu besetzen, aber kein Unternehmen kommt ohne kleinwüchsige Menschen aus: Es gibt einfach nicht genügend groß gewachsene
Menschen. Doch kaum einer dieser kleinen Menschen schafft es je in die oberen Führungsetagen. Von den Millionen von US-Bürgern
unter 1,68 Metern schafften es nach meiner |94| Untersuchung gerade einmal zehn bis zur Unternehmensspitze. Das heißt, Kleinwüchsigkeit ist mindestens ebenso ein Karrierehemmnis
wie schwarze Hautfarbe oder die Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht. (Eine der wenigen Ausnahmen ist Kenneth Chenault,
der Vorstandsvorsitzende von American Express, der 1,68 Meter groß und schwarz ist. Er muss ein beachtlicher Mann sein, denn
er hatte gleich zwei Warren-Harding-Fallen gegen sich.)
Hierbei handelt es sich bestimmt nicht um bewusste Diskriminierung. Niemand lehnt einen möglichen Kandidaten auf den Vorstandsvorsitz
mit der Begründung ab, ihm fehlten ein paar Zentimeter. Hier handelt es sich eindeutig um einen Fall unbewusster Vorurteile,
wie sie die IA-Tests aufspüren. Die meisten von uns bringen Führungskraft mit einer eindrucksvollen Statur in Verbindung,
ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Wir haben eine Vorstellung davon, wie eine Führungspersönlichkeit auszusehen hat,
und dieses Stereotyp ist derart übermächtig, dass wir alle Schwächen übersehen, wenn jemand äußerlich unserem Bild entspricht.
Das lässt sich nicht nur auf der Führungsebene von Großkonzernen beobachten. Vor einiger Zeit analysierten Wirtschaftswissenschaftler
die Daten aus verschiedenen Volksbefragungen in den Vereinigten Staaten, die Tausende von Menschen von der Geburt bis zum
Erwachsenenleben verfolgt hatten. Dabei stellten sie unter anderem fest, dass ein Zentimeter Körpergröße mehr – bereinigt
um Geschlecht und Hautfarbe – 310 US-Dollar mehr an Gehalt pro Jahr bedeutet. Das heißt, dass ein Mensch, der 1,82 Meter
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