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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Eintritt, um die Darstellung dieser Ereignisse im Theater oder im Kino
     zu sehen. Im wirklichen Leben sind die meisten Menschen Meister darin, bestimmte Dinge
nicht
geschehen zu lassen. Ein Lehrer des Improvisationstheaters muss diese Fähigkeit nun einfach umdrehen, und im Handumdrehen
     hat er begabte Improvisateure. Schlechte Improvisateure verhindern Handlung, und das oft mit einer gehörigen Portion an Können.
     Gute Improvisateure dagegen entwickeln Handlung.«
    Aus einem seiner Kurse zitiert Johnstone einen improvisierten Dialog zweier Darsteller:
A:
Ich habe Probleme mit meinem Bein.
B:
Es sieht so aus, als müsste ich es abnehmen.
A:
Bitte nicht, Herr Doktor.
B:
Warum nicht?
A:
Ich hänge an ihm.
B:
(verliert den Mut): Komm schon, Mann.
A:
Und dann hab ich da noch diese Wucherung am Arm.
    |119| Nach diesem kurzen Wortwechsel waren beide Schauspieler frustriert. Sie waren nicht in der Lage, die Szene weiterzuentwickeln.
     Darsteller A hatte zwar einen cleveren Witz unterbringen können, als er sagte, er hänge an seinem Bein, doch die Szene selbst
     war nicht witzig. Das lag daran, dass Darsteller A eine der vereinbarten Regeln gebrochen hatte: Sein Gegenüber hatte einen
     Vorschlag gemacht, und er hatte ihn abgelehnt, indem er sagte »Bitte nicht, Herr Doktor.«
    Also ließ Johnstone die beiden noch einmal von vorn anfangen, und diesmal hielten die sich an die Regel:
A:
Auuuuhhh!
B:
Was um alles in der Welt ist los, Mann?
A:
Es ist mein Bein, Herr Doktor.
B:
Sieht schlimm aus. Ich werde es abnehmen müssen.
A:
Sie haben es mir schon letztes Mal abgenommen.
B:
Heißt das, Ihr Holzbein tut Ihnen weh?
A:
Ja, Herr Doktor.
B:
Wissen Sie, was das bedeutet?
A:
Doch nicht etwa Holzwurm, Herr Doktor?
B:
Doch. Wir müssen es abnehmen, ehe er den ganzen Körper befällt.
 
(Der Stuhl von Darsteller A bricht zusammen)
B:
Mein Gott, er hat schon den Stuhl befallen!
    In dieser Szene spielen dieselben Darsteller dieselben Rollen, und sie fangen sogar mit fast denselben Worten an. Doch beim
     ersten Versuch endete der Dialog nach ein paar Sätzen, beim zweiten eröffnen sich immer neue Möglichkeiten. Indem sie sich
     an eine einfache Regel hielten, entwickelten A und B plötzlich Witz. »Gute Improvisateure scheinen telepathische Fähigkeiten
     zu haben: Es wirkt, als hätten sie sich vorher abgesprochen«, schreibt Johnstone. »Das liegt daran, dass sie auf jeden Vorschlag
     eingehen, den ihnen ein anderer Darsteller macht – kein ›normaler‹ Mensch würde so etwas tun.«
    |120| Das folgende Beispiel stammt aus einem Workshop von Del Close, einem weiteren Gründervater des Improvisationstheaters. Die
     beiden Darsteller spielen einen Dieb und einen Polizisten, der den Dieb verfolgt.
Polizist:
(keucht) Hey! Ich bin 50 Jahre alt und habe Übergewicht. Können wir nicht ein Päuschen einlegen?
Dieb:
(keucht) Und du verhaftest mich auch nicht, während wir unser Päuschen machen?
Polizist:
Ehrenwort. Nur ein paar Sekündchen. Auf drei. Eins, zwei, drei.
    Müssen Sie besonders brillant und schlagfertig sein, um diese Szene zu spielen? Wohl kaum. Es handelt sich um ein ganz normales
     Gespräch. Der Humor erwächst einzig und allein daraus, dass sich die beiden Darsteller eisern an die Regel halten und jeden
     Vorschlag aufnehmen. Wenn Sie den richtigen Rahmen schaffen, dann wird der mühelose und spontane Dialog des Improvisationstheaters
     mit einem Mal sehr viel einfacher. Auch Paul van Riper hat diese einfache Regel in Millennium Challenge beherzigt: Er stellte
     sein Team nicht einfach auf die Bühne und hoffte dann, dass ihnen ein paar lustige Zeilen einfallen würden. Er schuf die Voraussetzungen
     für erfolgreiche Spontaneität.
    Die Gefahren der Nabelschau
    Als Paul van Riper zum ersten Mal nach Südostasien versetzt wurde, kam er als Militärberater der südvietnamesischen Armee.
     Im Busch passierte es oft, dass er Schüsse in der Entfernung hörte. Er war ein junger Leutnant und hatte noch keinerlei Erfahrung
     mit Fronteinsätzen. Sein erster Gedanke war, zum Funkgerät zu greifen und bei der entsprechenden Stellung nachzufragen, was
     los ist. Nach einigen Wochen stellte er jedoch fest, dass die Soldaten |121| vor Ort genauso wenig wussten, was die Schüsse zu bedeuten hatten. Es waren eben Schüsse. Irgendetwas nahm seinen Anfang,
     aber was das war, das konnte noch niemand sagen. Also fragte van Riper nicht mehr nach. Bei seinem zweiten Einsatz gewöhnte
     er es sich an, zu warten, wenn er Schüsse

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