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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Kriegssimulationen durch. Die Händler schlugen sich großartig. In den Simulationen mussten sie unter hohem Druck
     und mit geringer Information rasche und eindeutige Entscheidungen treffen, doch daran waren sie durch ihre tägliche Arbeit
     gewöhnt. Van Riper lud die Händler nach Quantico ein, ließ sie in Panzer klettern und an einer Schießübung teilnehmen. Van
     Riper sah immer deutlicher, dass diese »übergewichtigen, ungekämmten, langhaarigen Burschen« und die Offiziere des Marine
     Corps in einem ähnlichen Geschäft tätig waren – der einzige Unterschied war, dass es bei den einen um Geld ging und bei den
     anderen um Menschenleben. »Ich erinnere mich, wie die Generäle zum ersten Mal mit den Händlern zusammengetroffen sind«, erzählt
     Gary Klein. »Es war eine Cocktailparty, und es ist etwas passiert, was mich wirklich überrascht hat. Auf der einen Seite waren
     da diese Marines, diese Zwei- und Drei-Sterne-Generäle – und Sie wissen ja, wie die sind. Einige waren noch nie im Leben in
     New York. Auf der anderen Seite diese jungen, rotzigen New Yorker Mitte 20, Anfang 30. Sie haben in Grüppchen von zwei oder
     drei Leuten zusammengestanden, und es gab keine Gruppe, die nicht gemischt gewesen wäre. Und die haben keinen Smalltalk gemacht.
     Es ging richtig zur Sache, die haben sich ausgetauscht. Ich habe mir gedacht, diese Jungs sind Brüder im Geiste. Sie haben
     sich gegenseitig mit größtem Respekt behandelt.«
    Mit anderen Worten, Millennium Challenge sollte nicht nur eine Auseinandersetzung zwischen zwei Armeen sein. Hier standen
     sich zwei völlig entgegengesetzte Philosophien der Kriegsführung gegenüber. Das blaue Team hatte seine Datenbanken, Matrizen
     und formalen Entscheidungsinstrumente, um die Pläne und Handlungsmöglichkeiten des Gegners zu verstehen. Das rote Team wurde
     dagegen von einem Mann kommandiert, der in einem übergewichtigen, ungekämmten New Yorker Trader, der |113| auf dem Parkett der Börse herumbrüllte und Tausende Spontanentscheidungen pro Stunde traf, einen Bruder im Geiste sah.
    Am ersten Tag des Strategiespiels schickte das blaue Team Zehntausende Soldaten in den Persischen Golf. Sie parkten einen
     Flugzeugträger und eine Begleitflotte direkt vor der Haustür des roten Teams. Mit dieser militärischen Macht im Rücken legte
     das blaue Team ein acht Punkte umfassendes Ultimatum vor. Der letzte Punkt des Ultimatums sah die bedingungslose Kapitulation
     von van Ripers Team vor. Das blaue Team trat mit hundertprozentiger Zuversicht auf, denn die Matrizen ihres Operational Net
     Assessment sagten ihnen genau, wo die Schwächen des roten Teams lagen, welche Handlungsoptionen der Gegner hatte und was er
     als Nächstes unternehmen würde. Aber Paul van Riper verhielt sich anders, als die Computer es vorausberechnet hatten.
    Das blaue Team zerstörte Sendetürme und Glasfaserkabel des Gegners in der Annahme, dass das rote Team nun auf Satellitenkommunikation
     und Mobiltelefone ausweichen müsste, die man bequem abhören konnte.
    »Sie hatten gedacht, dieser Schlag würde das rote Team überraschen«, erinnert sich van Riper. »Ich weiß nicht, wie sie darauf
     gekommen sind. Jeder einigermaßen informierte Zeitgenosse weiß, dass man sich auf diese Technologien nicht verlassen kann.
     So denkt nur das blaue Team. Wer käme heutzutage noch auf die Idee, auf Mobiltelefone und Satelliten zu vertrauen, nach allem,
     was Osama bin Laden in Afghanistan passiert ist? Stattdessen haben wir Motorradkuriere eingesetzt und Botschaften in Gebeten
     versteckt. Sie haben gesagt: ›Es ist unmöglich, Flugzeuge starten zu lassen, ohne dass Tower und Pilot über Funk miteinander
     kommunizieren.‹ Ich habe nur gesagt: ›Erinnert sich noch irgendjemand an den Zweiten Weltkrieg? Wir benutzen Lichtsignale.‹«
    Mit einem Mal war der Feind, von dem das blaue Team dachte, es kenne ihn in- und auswendig, ein bisschen mysteriöser geworden.
     Was plante das rote Team? Van Riper sollten gefälligst angesichts des überwältigen Aufmarschs die Knie schlottern. Aber |114| dafür war er zu sehr Draufgänger. Am zweiten Tag des Manövers schickte er eine Flotte kleiner Schnellboote in den Persischen
     Golf, um die Position der Schiffe des blauen Teams ausfindig zu machen. Dann bombardierte er die Flotte ohne Vorwarnung in
     einem stundenlangen Angriff mit Cruise Missiles. Nachdem dieser Überraschungsschlag des roten Teams vorüber war, lagen 16
     Kriegsschiffe der Blauen auf dem

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