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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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eigentlich in wenigen Augenblicken
     erstickt sein müssen, doch es brannte munter weiter. Also hielten sie erneut auf die Flammen. Wieder ohne jede Wirkung. Die
     Feuerwehrleute zogen sich ins Wohnzimmer zurück, und plötzlich schoss es dem jungen Leutnant durch den Kopf, dass mit diesem
     Feuer irgendetwas nicht stimmen konnte. »Sofort alle raus!« rief er, und kaum waren sie draußen, krachte auch schon der Boden
     des Hauses, auf dem sie gestanden hatten, zusammen. Es stellte sich heraus, dass der Brandherd im Keller war.
    »Er konnte sich nicht daran erinnern, warum er den Befehl gegeben hatte, das Haus zu verlassen«, erzählt Klein. »Er meinte,
     es sei ein siebter Sinn gewesen. Er glaubte ernsthaft, er hätte diesen siebten Sinn, der ihn in seiner ganzen Zeit als aktiver
     Feuerwehrmann beschützt hätte.«
    Diese Erklärung konnte Klein natürlich nicht zufrieden stellen. Also befragte er den Mann zwei Stunden lang ausführlich und
     ging das Ereignis noch einmal Schritt für Schritt mit ihm durch, um festzuhalten, was der Leutnant wusste und was nicht. »Das
     Erste war, dass das Feuer sich nicht so verhielt, wie es sich hätte verhalten sollen.« Feuer reagieren auf Wasser, dieses
     jedoch nicht. »Dann zogen sie sich aus der Küche zurück ins Wohnzimmer«, |126| berichtet Klein weiter. »Er erzählte mir, er würde nie Ohrenschützer aufsetzen, um spüren zu können, wie heiß ein Feuer ist.
     Dieses hier war überraschend heiß, viel heißer als ein normales Küchenfeuer. Ich fragte ihn: ›Was ist Ihnen sonst noch aufgefallen?‹
     Expertenwissen zeigt sich oft daran, dass jemand es bemerkt, wenn etwas
fehlt.
Der Feuerwehrleutnant erzählte, er sei überrascht gewesen, dass das Feuer keine Geräusche machte. Es war still, und das passte
     nicht mit der Tatsache zusammen, dass es so viel Hitze produzierte.«
    Rückblickend fügen sich all diese Merkwürdigkeiten zu einem Gesamtbild zusammen. Das Feuer reagierte nicht auf den Wassereinsatz
     in der Küche, weil der Brandherd gar nicht in der Küche war. Im Wohnzimmer war es deshalb so heiß, weil es direkt darunter
     im Keller brannte und die Hitze aufsteigt. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Leutnant die Zusammenhänge natürlich nicht in dieser
     Form beschreiben können. Der Denkprozess fand hinter der verschlossenen Tür seines Unbewussten statt. Dies ist wieder ein
     wunderbares Beispiel dafür, wie wir Erfahrungen in dünne Scheibchen zerlegen. Der innere Computer des Feuerwehrmannes fand
     mühelos und augenblicklich ein Muster in diesem scheinbaren Chaos. Das Überraschendste ist jedoch, wie knapp die Feuerwehrleute
     einer Katastrophe entkamen. Wenn der Leutnant die Situation erst lange mit seinen Leuten besprochen hätte, so wie wir es oft
     von Führungskräften erwarten, wenn es um die Lösung schwieriger Probleme geht, dann hätte er seine Intuition abgeschaltet
     und mit ihr die Fähigkeit, in dieser Situation einen lebensrettenden Geistesblitz zu bekommen.
    Das war der Fehler des blauen Teams in Millennium Challenge. Ihr rigoroses System zwang die Kommandanten dazu, innezuhalten,
     zu diskutieren und zu analysieren. Das wäre der richtige Lösungsweg für logische Probleme. Doch van Ripers Strategie war mit
     Logik nicht zu knacken. Das blaue Team dachte, es könnte van Ripers Kommunikation abhören, aber er schickte seine Nachrichten
     mit Motorradkurieren. Sie dachten, er könnte |127| seine Flugzeuge nicht starten, doch er erinnerte sich an eine vergessene Technik aus dem Zweiten Weltkrieg und benutzte Lichtzeichen.
     Sie dachten, er hätte keine technischen Möglichkeiten, ihre Schiffe zu orten, doch er schickte kleine Schnellboote in den
     Golf. Als van Ripers Kommandanten angriffen, stellte sich heraus, dass das, was das blaue Team für ein gewöhnliches Küchenfeuer
     gehalten hatte, mit den Gleichungen des Systems nicht zu erfassen war. Sie hatten es mit einem Problem zu tun, das sich der
     vorgegebenen Logik widersetzte, aber das blaue Team hatte seine Intuition abgeschaltet.
    »Ich habe mitbekommen, dass sich das blaue Team zu endlosen Meetings getroffen hat«, berichtet van Riper. »Sie wollten herausfinden,
     wie sich die politische Situation im Land entwickelt. Sie hatten eine Menge Grafiken mit Pfeilen rauf und runter. Ich habe
     nur gedacht: Moment mal, ihr führt
Krieg?
Sie hatten diese ganzen Akronyme und Abkürzungen. Auf der einen Seite setzt sich die Machtsituation in einer Nation aus diplomatischen,
    

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