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Blink! - die Macht des Moments

Titel: Blink! - die Macht des Moments Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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der Aeron nicht, er sieht völlig
     anders aus. Er hat so gar nichts Vertrautes. Vielleicht war das Wort ›hässlich‹ in diesem Zusammenhang nur ein Synonym für
     ›anders‹.«
    Es ist eine Schwäche der Marktforschung, dass ihre Instrumente oft zu grob sind, um zwischen schlechten Dingen zu unterscheiden
     und solchen, die einfach neu und ungewohnt sind. Ende der Sechziger produzierte der Fernsehautor Norman Lear eine Pilotsendung
     für eine Serie mit dem Namen
All in the Family.
Es war ein radikaler Bruch mit der typischen Fernsehunterhaltung der damaligen Zeit: Die Serie sollte bissig und politisch
     sein und gesellschaftliche Themen ansprechen, die zu dieser Zeit im Fernsehen außen vor blieben. Lear stellte den Pilotfilm
     beim Fernsehsender ABC vor. Diese führten ihn in einem Hollywoodkino von 400 handverlesenen Testern vor und ließen ihn bewerten.
     Noch während der Vorführung füllten die Zuschauer Fragebögen aus und stellten an einem Rädchen in der Armlehne ein, wie sie
     den Film fanden: »sehr langweilig«, »langweilig«, »in Ordnung«, »gut« oder »sehr gut«. Aus den einzelnen Antworten wurde ein
     Wert zwischen 1 und 100 ermittelt. Ein Fernsehdrama galt als gut, wenn es Werte zwischen 60 und 70 Punkten erreichte, eine
     gute Komödie sollte auf 70 bis 80 Punkte kommen.
All in the
Family
landete bei etwas über 40. ABC lehnte ab. Also zog Lear weiter zu CBS. Sie ließen
All in the Family
von ihrer Marktforschungsabteilung bewerten, und auch hier waren die Werte alles andere als vielversprechend. CBS entschied
     sich zwar dafür, die |174| Serie auszustrahlen, plante aber für die erste Staffel nicht einmal ein Werbebudget ein. Warum sollte man sie auch bewerben?
     Die Serie wurde ohnehin nur eingekauft, weil sie dem damaligen CBS-Präsidenten Robert Wood und dem Programmchef Fred Silverman
     gefiel und weil CBS mit seiner marktbeherrschenden Stellung das Gefühl hatte, sich auch einen Flop erlauben zu können.
    Im gleichen Jahr begutachtete CBS eine neue Komödienserie mit Mary Tyler Moore als Hauptdarstellerin. Auch diese Serie stellte
     einen Bruch mit der üblichen Fernsehkost dar. Die Hauptfigur, Mary Richards, war eine junge, alleinstehende Frau, die – anders
     als die üblichen Serienheldinnen – keinerlei Interesse daran hatte, eine Familie zu gründen, sondern beruflichen Erfolg suchte.
     CBS ließ die Sendung von ihrer Marktforschungsabteilung bewerten, und die Ergebnisse waren ernüchternd. Mary sei eine Versagerin,
     ihre Nachbarin Rhoda Morgenstern sei »zu barsch«, und Phyllis Lindstrom, eine andere Hauptfigur, sei »nicht glaubwürdig«.
     Die
Mary Tyler Moore Show
wurde nur ausgestrahlt, weil sie zum Zeitpunkt des Tests schon fest eingeplant war. »Wäre Die
Mary Tyler Moore Show
ein Pilotfilm gewesen, dann wäre sie nach diesen überwältigend negativen Bewertungen begraben worden«, schreibt Sally Bedell
     in
Up the Tube,
ihrer Biografie von Fred Silverman.
    Mit anderen Worten,
All in the Family
und Die
Mary Tyler
Moore Show
waren die Aeron-Stühle des Fernsehens: Sie gefielen den ersten Zuschauern überhaupt nicht. Doch sie entwickelten sich zu zwei
     der erfolgreichsten Serien in der Geschichte des US-Fernsehens. Es stellte sich heraus, dass sie den Zuschauern sehr wohl
     gefielen – sie waren zuerst nur zu überrascht gewesen, um es zu bemerken. Doch die hochgelobten Techniken der Marktforschung
     waren nicht in der Lage gewesen, zwischen diesen beiden Reaktionen zu unterscheiden.
    Das soll nicht heißen, dass die Marktforschung mit ihren Ergebnissen immer daneben liegt. Wäre
All in the Family
ein bisschen traditioneller dahergekommen – und hätte sich das Design |175| des Aeron ein bisschen stärker an herkömmlichen Modellen orientiert –, dann wäre es sehr viel leichter gewesen, die Reaktion
     der Konsumenten zu messen. Wirklich revolutionäre Ideen und Produkte zu testen, ist jedoch ein anderes Paar Schuhe, und Firmen
     haben nur dann Erfolg, wenn sie verstehen, dass in diesem Fall der erste Eindruck der Konsumenten weiterer Interpretation
     bedarf. Marktforschung ist deshalb so beliebt, weil sie Sicherheit bietet: Zahlen, Noten, Verkaufserwartungen. Wenn uns jemand
     fragt, warum wir ein bestimmtes Produkt auf den Markt bringen wollen, dann können wir auf diese Zahlen verweisen. Die Wahrheit
     ist jedoch, dass es nie wirkliche Sicherheit gibt. Kenna fiel bei den Befragungen der Marktforscher durch – aber was soll’s?
     Seine Musik ist neu und

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