Blitz bricht aus
seiner Hosentasche, jedoch keine Brieftasche, keine Papiere, keinen Ausweis, nichts, was ihm einen Anhaltspunkt geben konnte. Einzig das Päckchen Banknoten, ziemlich dick und feucht vom Blut, war vorhanden.
Er fühlte die großen Risse in seinem Hemd und seinen Hosen an, nein, nicht eigentlich Risse, vielmehr waren nur noch Fetzen vorhanden, die seinen übel zugerichteten Körper knapp umhüllten. Er mußte lange, lange durch diese Wälder gerannt sein. Zeitweise war er wohl auch auf dem Boden gekrochen, denn wie hätten seine Hände und Knie sonst derartig zerschunden sein können? Aber warum nur? Warum?
Er saß eine ganze Weile so und versuchte angestrengt nachzudenken, sich zu erinnern. Der Mond kam hinter den Wolken hervor, und er konnte seine Umgebung einigermaßen erkennen. Allein das unübersteigbare Hindernis in seinem Geist wich nicht.
Er hatte nur noch einen Schuh; den zog er aus und sah nach, ob nicht der Name oder die Marke einer Fabrik im Futter eingedruckt war. Er fand nichts. Dann riß er den Kragen seines Hemdes ab; dort mußte doch ein Etikett eingenäht sein. Tatsächlich fand er eins mit dem Namen »McGregor«. War das nun der Name des Fabrikanten, oder war es sein Name? Er sprach den Namen wieder und wieder vor sich hin in der Hoffnung, damit irgendeine Erinnerung aufzuwecken. Aber nichts klärte sich.
Wieder hielt er seinen armen Kopf in das kühlende Wasser, Erleichterung suchend. Schließlich stand er schwankend auf und stolperte den Berg hinunter, um die Fahrstraße zu erreichen. Er mußte um Hilfe bitten; jemand mußte doch wissen, wer er war und was mit ihm geschehen war. Eine Strecke weit folgte er dem Bach mit allen seinen Windungen, denn er hatte Angst, ihn zu verlassen, weil ihm das Wasser Erleichterung gewährt hatte. Dann mußte er sich doch von ihm trennen, um die Straße zu erreichen. Der Wald wurde noch dichter und schien unermeßlich groß. Stolpernd und kriechend bewegte er sich langsam und mühselig fort.
Er wußte nicht, wieviel Zeit verstrichen war, seit er den Bach verlassen hatte; ihm schien es eine Ewigkeit her zu sein. Die Schmerzen waren kaum mehr zu ertragen, und jetzt hatte er kein kühles Wasser mehr, das ihm Linderung bot. Seine halbgeschlossenen Augen suchten sehnsüchtig nach Lichtern, die ihm sein Ziel zeigen würden. Endlich entdeckte er Lichter, die sich offenbar auf einem sich dauernd windenden Fahrweg bewegten. Er schrie und versuchte zu rennen. Er stürzte und kroch, unentwegt schreiend, auf den Knien weiter. Jetzt waren die Lichter unmittelbar vor ihm, er vermochte die Entfernung nicht zu schätzen. Er taumelte auf die Füße und schrie, so laut er konnte, aber das donnerähnliche Dröhnen eines riesigen Überlandlasters übertönte seine Stimme. Seine Schmerzen vergessend, begann er wieder zu rennen. Dabei rannte er gegen einen Baum, stürzte und blieb völlig erschöpft eine Weile liegen.
Als er sich etwas erholt hatte, kroch er auf die Straße zu. Als er sie erreichte, entdeckte er nicht weit hinten die Schlußlichter eines Lasters. Und neben dem rechten Vorderrad bewegte sich eine Taschenlampe. Radwechsel! Gleich darauf hörte er das Geräusch von Werkzeugen, die in einen Metallbehälter gelegt wurden. Er versuchte zu schreien, hatte aber keine Kraft mehr dazu. Wieder kroch er vorwärts. Er sah die Taschenlampe verlöschen und hörte das Zuschlägen einer Autotür. Das Rad war ausgewechselt; der Laster würde gleich weiterfahren... Zugleich mit dem Aufheulen des Motors kam er schwankend auf seine Füße und brachte es fertig zu rennen, wobei er von einer Seite der Straße auf die andre schwankte, die Augen auf das Fahrzeug gerichtet, die Hände vorgestreckt. Aus zugeschnürter Kehle entrang sich ihm ein jammervoller Schrei. Er war jetzt so nahe daran, nur wenige Schritte noch! Doch der Laster begann sich bereits zu bewegen. Es gelang ihm gerade noch, die Holzlatten zu ergreifen, die den Laderaum hinten abschlossen. Er krampfte die Finger darum und hielt sich daran fest, denn seine Beine trugen ihn nicht länger. Nach einem Augenblick zwangen ihn seine schleifenden Füße zu einer erneuten Anstrengung. Langsam hob er das eine Bein, bis er die unterste Latte erreichte. Um wieder zu Atem zu kommen, mußte er warten, bis er den andern Fuß mit unsagbarer Anstrengung nachzuziehen vermochte. Nun stand er hinten auf dem Laster, den Körper fest an die Latten gepreßt. Die schwere Plane, die den Wagen bedeckte, flatterte und schlug ihm ins Gesicht. Endlich
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