Blitz bricht aus
Baumes. Ja, das war ein Baum. Aber warum war er so naß, so feucht und klebrig? Er zog seine Hand weg, hob sie zum Mund und schmeckte Blut. Irgend etwas war geschehen, etwas Furchtbares. Aber was nur, was? Er hatte ein Gefühl, als ob ihn feurige Ströme durchliefen, während er zu denken und sich zu erinnern versuchte. Schnell schob er die Gedanken von sich fort, um der Qual zu entrinnen. Er lauschte jetzt, in der Hoffnung, sein Gehör würde ihm die Aufklärung verschaffen, die er sich wünschte, die er sich verschaffen mußte, denn er brauchte Hilfe.
Er schloß seine Augen bis auf schmale Spalten, um seine Schmerzen zu vermindern. Er horchte und vermochte festzustellen, daß der Wind in den Baumkronen rauschte, denn Bäume, viele Bäume standen um ihn herum, dessen war er jetzt gewiß. Und es war Nacht, das drang ebenfalls in sein Bewußtsein. Dann hörte er den Schrei eines Tieres. Der Schrei machte ihm Angst; er erschien ihm wild und furchtbar, weil er die Stille dieser ihm unbekannten Welt zerriß. Doch er fühlte sich so elend, daß er die Angst sofort wieder vergaß, nachdem der Schrei verklungen war. Er lauschte stattdessen einem andern Geräusch, das deutlich zu hören war, obwohl der Wind so heftig in den Bäumen rauschte. Es war ebenfalls ein Rauschen, aber leiser und sanfter. Ihm stieg plötzlich die Erkenntnis auf, daß es von einem Bach oder Fluß herrühren konnte. Er öffnete seine Augen ein wenig mehr.
Er lag in einer Vertiefung, und der Boden, das fühlte er, ging weiter abwärts. Der sanfte Laut fließenden Wassers aber kam von oben. Mit unendlichen Qualen richtete er sich auf und versuchte, sich wankenden Schrittes dem lockenden Rauschen zu nähern. Häufig strauchelte er, stürzte, riß seine blutenden Hände noch weiter auf, aber er raffte sich wieder hoch, stolperte weiter und erreichte endlich einen kleinen Bach, der vom Berg herabsprudelte. Er kroch hinein, ohne auf die scharfen Steine zu achten, die seine Hände und Knie blutig rissen.
Der Bach war seicht, er tauchte sein wundes Gesicht in das kühlende Naß. Dann legte er den Kopf auf die Seite und ließ das Wasser darüber plätschern, was ihm ein wenig Erleichterung verschaffte. Er lag lange Zeit so, ohne sich zu rühren und ohne zu denken. Mit einemmal sah er unten am Berg Lichter, die sich bewegten. Mit übermenschlicher Anstrengung hob er seinen Kopf aus dem Wasser: er glaubte, dort käme Hilfe für ihn! Also wußte jemand um seine Not und kam, ihn zu holen!
Schwankend kam er auf die Füße. Sofort wurden seine Schmerzen wieder schlimmer, doch waren sie nicht ganz so arg wie vorher. Er machte ein paar Schritte, die Augen auf die Lichter unten gerichtet. Doch sie kamen nicht länger auf ihn zu—sie entfernten sich vielmehr. Es handelte sich also nicht um Lichter, getragen von Menschen, die ihn suchten und ihm helfen wollten, sondern um die Scheinwerfer eines Autos, das sich auf einer Gebirgsstraße befand und gar nichts von ihm wußte.
Er schrie, so laut er konnte, und diese große Anstrengung ließ ihn in den Knien einknicken und den Kopf mit den Händen umspannen. Er sah nicht mehr, wie das Auto unten davonfuhr, sein einziger Gedanke war, zu dem Bach zurückzukommen, damit das eisige Wasser seine unerträglichen Schmerzen lindern konnte.
Nach einiger Zeit ließen die Schmerzen ein wenig nach, und während er am Rande des Baches lag, dachte er über die Lichter auf der Straße nach. Er mußte versuchen, dorthin zu gelangen, denn wo ein Auto gefahren war, würden andre kommen. Er brauchte verzweifelt nötig Hilfe, nicht nur um ein Mittel gegen seine Schmerzen zu bekommen, sondern auch für etwas anderes mußte er um Hilfe bitten: er fühlte, daß in seinem Kopf eine Hemmung war—sein Wissen über seine Vergangenheit war ausgelöscht. Er war nicht imstande, es zu erklären, ihm war nur dumpf bewußt, daß er vergessen hatte, wer er war, wo er war und was ihm geschehen war. Er konnte sich an nichts erinnern!
Nach langer Zeit hob er den Kopf aus dem Wasser und setzte sich aufrecht hin. Die Schmerzen kamen wieder, aber irgendwie stand in ihm die Hoffnung auf, daß er sie besser ertragen konnte und fähig sein würde, die Straße dort unten zu erreichen. Bevor er aufstand, untersuchte er seine zerfetzten Kleider. Es mußte sich doch irgend etwas finden, das ihm Aufschluß über seine Identität gab! Dann würde ihm doch auch wieder ins Gedächtnis kommen, was eigentlich mit ihm geschehen war. Er fand ein Päckchen Banknoten in
Weitere Kostenlose Bücher