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Blitz bricht aus

Blitz bricht aus

Titel: Blitz bricht aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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ergeben. Der Wald war ungemein dicht, Baum stand an Baum, so war er gezwungen gewesen, auf den Beinen zu bleiben und langsam zu laufen. Diese leichte Bewegung hatte die Krämpfe allmählich abklingen lassen.
    Er vergaß seine Not im Nu und trug den schmalen, feinen Kopf wieder aufrecht; er witterte in die Luft, und seine Nüstern bebten. Er fuhr fort, in nördlicher Richtung zu laufen, die Ohren gespitzt und alle Sinne wachsam auf die neuen, fremden Geräusche gerichtet, deren Ursprung er nicht kannte. Er vernahm eintönig kratzende und leise scharrende Laute, ab und zu kurz abgehackte Schreie und in der Ferne ein verlassenes, trauriges Heulen, das sich mehrfach wiederholte. Er war interessiert, doch keineswegs ängstlich. Ihm war ja die große Einsamkeit der Wildnis in einem andern Land in der Jugend vertraut gewesen. Jetzt betrat er eine neue, seltsame und schöne Landschaft, die für ihn keine Schrecken barg. Er war allein und frei. Er erinnerte sich an nichts aus seinem vorherigen Leben, weder an Ställe, noch an Koppeln, noch an einen jungen Menschen, der ihn über alles liebte. Vor ihm lag eine Welt, die so wild und ungebändigt war wie er selbst.
    Später gelangte er aus dem Wald in offeneres, nur leicht mit Bäumen bestandenes Land. Dennoch ging er nur langsam weiter, denn der Boden war felsig und von Tälern und Schluchten durchzogen. Das Schreiten auf dem harten Felsgestein tat ihm an seinen unbeschlagenen Hufen weh. In einem leicht gewellten Tal hielt er an und ließ seinen Blick über die lange, schwarze Linie der hier sehr niedrigen Bäume und Sträucher wandern, hinter der nichts mehr kam, wie in den Himmel strebende nackte Klippen und Felsspitzen. Danach wendete er seinen Kopf zurück in die Richtung, aus der er gekommen war.
    Er stand so unbewegt wie die Felsen über ihm. Eine Weile witterte er in die Luft, dann setzte er seinen Weg fort. Jetzt ging er nicht länger in nördlicher Richtung, sondern zurück nach Süden. Er kam durch eine mit Steinen übersäte Schlucht, stockte aber niemals, sondern hielt die eingeschlagene Richtung ein, weil ihm sein unfehlbarer Instinkt sagte, daß er auf diesem Weg in eine mildere Gegend kommen würde.
    Eine Stunde später kam er wieder in den dichten Wald, aber sehr weit weg von der Stelle, an der er das felsige Gebiet betreten hatte. Sein großer Körper zitterte vor Erregung und Freude, jeden Pfad einschlagen zu können, der ihm paßte. Er lauschte dem Säuseln des durch die Bäume streichenden Windes und begann zu klettern, denn sein Instinkt wies ihm den Weg zu einer Wasserstelle und saftigen Gräsern auf höher gelegenen Wiesen. Er bemerkte mehrere graue Schatten, die ihm während seines Aufstiegs folgten. Aber er kümmerte sich nicht darum, denn er besaß volles Vertrauen zu seiner Schnelligkeit, Ausdauer und Klugheit.
    Bis zum Morgengrauen kletterte er unentwegt aufwärts. Die Luft wurde immer schärfer und reiner. Als es hell wurde, erreichte er eine kleine Bergwiese, die ihn lebhaft an ähnliche Weideplätze in dem Hochland seiner Jugend erinnerte. Sein lautes Wiehern bekundete die Freude, die ihn überkam. Er fiel in Galopp, zum erstenmal nach vielen Stunden, und seine langen Beine trugen ihn schnell und mühelos über den Teppich von kurzem, dichtem Gras.
    Nach einiger Zeit entdeckte er einen Bach, hielt an, trank lange, hob den Kopf in den Wind und atmete mit Behagen die kalte, reine Bergluft ein. Dann begann er, das saftige Gras zu fressen. Als er gesättigt war, legte er sich hin und schlief.
    Wenige Stunden später machte er sich wieder auf den Weg. Über ihm ansteigend reihte sich Bergwiese an Bergwiese, Felsgipfel an Felsgipfel. Einige Gipfel waren weiß von ewigem Schnee, andre kahl und blank. Aber diese Welt oberhalb der Baumgrenze hatte keine Anziehungskraft für den Hengst. Felsen, Schnee und Wolken boten ihm keinen Anreiz. Leichtfüßig lief er nach Süden, bald wieder durch riesige Wälder. Da es jetzt hell war, brauchte er nicht mehr langsam zu gehen; er fand seinen Weg ohne Schwierigkeiten durch den dichten Baumbestand. Obwohl er kein Ziel hatte, rannte er, weil er Freude an der schnellen Bewegung empfand und sein Instinkt ihn nach Süden wies.
    Nach einiger Zeit erreichte er ein offenes Plateau. Er spürte Hunger und fing an zu grasen. Plötzlich warf er wachsam den Kopf auf und hörte auf zu kauen. Seine ungemein scharfen Ohren hatten einen feindlichen Laut aufgefangen. Er fuhr herum, bereit für die Abwehr eines Angreifers, der aus dem

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