Blitz bricht aus
War er vor Verfolgern geflüchtet? Vor der Polizei vielleicht? Am Ende suchte ihn die Polizei?
Eine neue, entsetzliche Furcht ergriff ihn: vorher hatte er um sein Leben Angst gehabt, war verzweifelt gewesen, daß die Hilfe, die er suchte, nicht kommen wollte—jetzt fühlte er die tödliche Furcht des Gejagten.
Auf der Landstraße näherten sich die Scheinwerfer eines Autos. Er sah sie nicht länger mit Augen an, die Hilfe suchten, sondern mit den Augen eines Flüchtlings, der sich vor ihnen verbergen wollte... Er begann vom Straßenrand wegzukriechen auf der Suche nach hohem Gras, in dem er sich verstecken konnte. Doch der Boden war kahl, und er fühlte, wie ihn die Lichter des Autos erfaßten. Er lag flach ausgestreckt und rührte sich nicht, in der Hoffnung, daß die Scheinwerfer über ihn wegstreichen und sich entfernen würden.
Aber schon stoppte der Wagen, und ein großer, kräftiger Mann stieg aus. Mit einem Revolver in der Faust trat er näher, doch als er den Jungen aus der Nähe sah, steckte er die Waffe sogleich in die Tasche. »Armer Kerl, du bist ja verletzt! Was ist dir denn passiert?« fragte er.
»Ich—habe heimlich—einen Laster bestiegen, um mitzufahren... Und dann haben mich die Fahrer runtergeworfen«, stammelte Alec. Er brauchte Zeit, um sich etwas auszudenken, denn er wollte jetzt niemand mehr Vertrauen schenken; er wollte um keinen Preis mit der Polizei zu tun bekommen.
»Sie haben dich vom Wagen geworfen und hier liegen lassen?« Der freundliche Mann erwartete keine Antwort, er sah die zerrissenen Kleider, das übel zugerichtete Gesicht. »Komm mit, mein Junge, ich werde dir helfen«, sagte er mitleidig.
Er trug ihn zu seinem Wagen und legte ihn auf den Rücksitz. Alec fühlte aufatmend das weiche Polster an seinem Kopf. Es tat ihm unendlich wohl, und sein Körper streckte sich. »So, nun schlafe«, sagte der Mann. »Du siehst wahrhaftig aus, als ob du das nötig hättest. An dieser Straße gibt es nicht viele Tankstellen, aber wenn wir die nächste erreichen, werde ich dich wecken, damit du dir das Blut aus dem Gesicht waschen kannst. Hast du Schmerzen? Vielleicht hast du dir etwas gebrochen? Dann halten wir in der nächsten Ortschaft und suchen dort einen Arzt.«
»Nein, Schmerzen hab’ ich nicht—auch nichts gebrochen!«
»Gut, dann schlaf jetzt! Wie heißt du denn?«
Ja, wie heiße ich? Wie heiße ich? Er hörte sich antworten: »McGregor.« Das Etikett an seinem Hemdkragen war ihm eingefallen. »Ich heiße McGregor«, murmelte er nochmals.
»Aha, schottischer Abstammung. Ich heiße Washburn, Bill Washburn«, sagte der Mann, setzte sich ans Steuer und fuhr los.
Alec schloß die Augen. Mac Gregor will ich mich nennen, bis ich wieder weiß, wer ich bin, dachte er. Mein Kopf ist verletzt, ich habe mein Gedächtnis verloren. Das ist andern auch schon passiert, und sie sind wieder gesund geworden. Sicher kehrt meine Erinnerung nach einiger Zeit zurück, und dann werde ich wissen, wie ich heiße und was mir geschehen ist. Doch vorläufig will ich das alles für mich behalten. So ist es sicher am besten.
In den nächsten beiden Stunden tat er so, als ob er schliefe. Er konnte noch nicht richtig sprechen, und es war auch viel besser, wenn er schwieg, selbst diesem freundlichen Mann gegenüber. Dann merkte er, daß der starke Wagen langsamer fuhr. Gleich darauf hielt er, und Bill Washburn drehte sich nach Alec um. »Hallo, McGregor, ich halte hier an, um zu tanken. Du kannst inzwischen den Waschraum aufsuchen.«
Der Junge stieg aus und ging rasch in das kleine Haus. Im Waschraum sah er sogleich in den Spiegel. Das also war sein Gesicht... Er hatte rotes Haar, in dem geronnenes Blut klebte. Seine Augen waren blau, aber die weiße Umrandung der Pupillen war blutunterlaufen. Seine Nase war kurz und wirkte winzig zwischen den zerschrammten, geschwollenen Backen. Er hatte einen großen Mund und sehr dicke Lippen—oder waren sie auch so angeschwollen? Seine glasigen Augen glitten über das Bild seines Körpers im Spiegel. Er hatte alle Kraft in den Schultern und Armen, sonst war er schlank. Wozu hatte er seine Hände gebraucht? Welche Art Arbeit hatten sie verrichtet? Seine Finger waren kräftig, seine Arme muskulös. Ohne Zweifel hatte er hart gearbeitet.
Er ließ das Wasser über seinen Kopf und sein Gesicht rinnen und reinigte sich gründlich von all dem geronnenen Blut. Am Ende sah er wesentlich besser aus. Wenn nur seine zerfetzten Kleider nicht gewesen wären und wenn er
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