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Blitz bricht aus

Blitz bricht aus

Titel: Blitz bricht aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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furchtbaren Kopfschmerzen mehrmals zurück. Trotzdem ging er unentwegt weiter in der Hoffnung, bald die Berge zu erreichen und bald den Tag und das Licht aufsteigen zu sehen. Ewig konnte die Nacht ja nicht währen.
    Auf einmal merkte er, daß die ersten Vorboten des Morgens bereits nahten, denn hinter den Berggipfeln im Osten stieg eine leise Röte auf, die sich langsam verstärkte. Für eine Weile vergaß er Schmerzen und Angst beim Anblick der aufgehenden Sonne. Er hatte lange in einer Welt der Finsternis gelebt, nun, da die Helligkeit kam, würde wohl auch sein Gedächtnis zurückkehren, und er würde sich an alles erinnern können, was ihm geschehen war, bevor sein Elend begann.
    Die Sonne stieg, und er fühlte ihre leise Wärme. Das gab ihm neue Hoffnung und Ermutigung weiterzugehen, obwohl er jetzt sah, daß die Berge viel ferner waren, als er angenommen hatte. Aber schließlich würde er sie doch erreichen!
    Die Sonne stieg höher, und als sie voll am Himmel stand, verwandelte sich die ganze Landschaft. Die Luft nahe der Erde bewegte sich, wallte und begann dann einen Tanz in vielen Farben. Der Junge mußte wieder und wieder den Schweiß vom Gesicht wischen, denn es war fürchterlich heiß. Er vermochte die Bergkuppen nicht mehr zu sehen, nur noch tanzende blutrote Schleier, durchmischt mit intensivem Rosa und Gelb. Er fühlte den Wunsch, sich umzuwenden und zu fliehen, aber dazu war er nicht imstande. Sein Körper schien von Flammenwogen in Brand gesteckt worden zu sein. Er spürte keinen andern Schmerz mehr als den dieses Höllenbrandes. Schließlich stürzte er zu Boden. Eine Empfindung großen Friedens und großer Schwäche senkte sich über ihn. Die Wüste um ihn herum lag im Nebel, war nicht mehr wirklich und nicht mehr wichtig. Er fühlte sich wunderbar glücklich und sehr, sehr müde. »Gleich werde ich schlafen«, murmelte er, »sehr bald, und dann wird alles in Ordnung sein.«
    Es gab weder einen Anfang, noch ein Ende seines Schlafes, aber an einer Stelle dieses unbestimmten Zeitraumes fühlte er Hände nach sich greifen. Immer Hände... Wurde er denn nie wieder frei von ihnen? Würden sie ihn niemals mehr in Ruhe lassen? Dann fühlte er etwas Kühles und Feuchtes in seinem Mund, es rann die Kehle hinunter und milderte das Feuer, das in ihm brannte. Seine geschwollenen Lippen bewegten sich, und er stammelte: »Ich heiße McGregor.«
    Eine Weile später fühlte er, daß ihn starke Arme hochhoben und forttrugen. Es war ihm gleichgültig, er versank gleich wieder in Bewußtlosigkeit. Wieder etwas später fühlte er, daß sich etwas unter ihm bewegte, und sein Kopf schien an etwas Fellartigem zu ruhen; aber auch das war ihm gleich-gültig.
    In längeren oder kürzeren Abständen wurde ihm dann noch mancherlei für einige Sekunden dumpf bewußt: das Flackern eines Feuers—ein Aufglimmen in der Dunkelheit—blinzelnde Augen—und wieder Dunkelheit. Dann kamen die Hände wieder—immer, immer Hände—sie hielten seinen Kopf, brachten Kühlung und Erleichterung, hoben ihn, trugen ihn zu dem rauhen Fell. Wieder Vorwärtsbewegung, niemals endend...
    Schließlich ließ seine Bewußtlosigkeit so weit nach, daß er merkte: ein Tier trug ihn. Er versuchte seinen Kopf von dem nickenden Hals zu heben, aber von der Seite kamen zwei Hände, die ihn liebevoll wieder anlehnten, und eine freundliche Stimme sagte: »Bleib nur ruhig liegen.« Es war nicht schwer, zu befolgen, was ihm geboten wurde, denn er wußte selbst, daß er nicht die Kraft hatte, seinen Kopf zu heben. Er schloß die Augen und schlief ein.
    Als er erwachte, war es Nacht. Er sah ein Feuer von der Stelle aus, an der er lag; dann trat ein Mann in die Helligkeit. »Ich heiße McGregor«, sagte er. Die freundliche Stimme antwortete: »Ich weiß, du hast es mir schon mehrmals gesagt.«
    Er fühlte einen Löffel zwischen seinen Zähnen, fühlte eine warme Flüssigkeit in seinem Mund, schluckte und öffnete ihn wieder und wieder im Verlangen nach mehr. Und er wurde nicht enttäuscht. Dann hörte er die Stimme sagen: »Schlafe nun wieder. Nach einiger Zeit gehen wir weiter.« Er tat, wie ihm geheißen wurde. Dann fühlte er, daß der Mann ihn wieder zu dem Tier trug, und daß es vorwärts ging.
    Als er das nächste Mal die Augen öffnete, war es spät am Morgen. Oben sah er die Berge in klaren Umrissen, aber immer noch in der Ferne. Er spürte am langsamen Ansteigen des Terrains, daß sie jetzt im Vorgebirge waren und die Wüste hinter sich gelassen hatten,

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