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Blitz bricht aus

Blitz bricht aus

Titel: Blitz bricht aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Farley
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und tadellos aufgeräumt. Mit den schönen, frohen Farben wirkte das Zimmer unsagbar gemütlich.
    Die Tür ging auf, und der Mann stand im Rahmen. »Nun, wie fühlst du dich heute morgen? Besser?«
    »ja, danke, ich fühle mich gut, ich glaube, ich bin endlich wieder gesund.«
    »Das ist schön! Ich habe es beinahe erwartet. Ich habe dir ein gutes, nahrhaftes Frühstück zurechtgemacht, das wird dich kräftigen.« Mit diesen Worten ging der Mann wieder, aber der Klang seiner Stimme blieb im Zimmer zurück. Es war eine leise, kultivierte Stimme, die sehr gut zu diesem schönen, wohnlichen Zimmer paßte, aber nicht zu dem Mann, der mit ihm durch die Wüste und das Gebirge gezogen war. Er trug jetzt ein weißes Hemd und ein Halstuch, gutgebügelte Beinkleider und weiche Schuhe. War das wirklich derselbe Mann, der den endlosen Weg neben ihm hergegangen war, um ihn auf dem Maultier festzuhalten?
    Der Mann kam zurück mit einem Frühstückstablett, das er auf dem Nachttisch abstellte. Er stopfte dem Jungen Kissen in den Rücken, dann stellte er das Tablett vor ihn hin. Zwei Spiegeleier mit gebratenem Schinken, dazu Toast und Marmelade, luden zum Schmausen ein. »Ich glaube, jetzt kannst du schon ohne meine Hilfe essen.« Der Mann lächelte. Es war ein herzliches und aufrichtiges Lächeln, das zwei Reihen gutgepflegter weißer Zähne sehen ließ. Er sah jünger aus, als er war, nämlich näher an Vierzig als an Sechzig, was wohl sein wirkliches Alter sein mochte. »Eier von meinen eignen Hühnern, frisch für dich gelegt heute morgen«, sagte er, zog einen Stuhl an das Bett und fragte plötzlich, während er auf ein Kissen deutete: »Hör mal, was ist das für eine Farbe?«
    »Farbe? Das Kissen ist gelb!«
    Der Mann lachte: »Ich hab’ es als >braun< gekauft, so haben sie es mir im Laden angepriesen; ich bin völlig farbenblind.« Er begegnete McGregors Augen. »Iß jetzt, mein Junge, ich werde so lange still sein, denn ich sehe, daß dich mein Reden ablenkt. Du kannst dir wohl denken, McGregor, daß ich nur sehr selten Gäste habe. Im ganzen waren es drei während der sechs Jahre, die ich jetzt hier lebe. Du bist der vierte.« Er machte eine Pause; dann fuhr er fort: »Und meine andern Gäste habe ich zu fragen vergessen, welche Farbe das ist.«
    »Aber woher wissen Sie, daß ich McGregor heiße?«
    »Das hast du mir sicher gut hundertmal gesagt, seit wir beisammen sind. Ich heiße übrigens Gordon.«
    »Und wie lange bin ich bei Ihnen?«
    »Seit einer Woche. Ja, vor einer Woche haben wir dich gefunden.«
    »Wir?«
    »Goldie und ich«, erklärte der Mann, »Goldie ist mein Maultier, mein Kamerad.« Er machte eine Pause, die feinen Fältchen in seinen Augenwinkeln zogen sich wieder vom Lächeln zusammen. »Eigentlich heißt Goldie >Schwarz-Gold<, nach dem Gewinner des Kentucky-Derbys von neunzehnhundertvierundvierzig, das ist das einzige Pferderennen, das ich je gesehen habe, und nachdem Sieger habe ich mein Maultier genannt.« Schwarz-Gold... Kentucky-Derby... Der Junge fühlte sich an irgend etwas erinnert und schloß in angestrengtem Nachdenken die Augen, in der Hoffnung, es könnte ihm gelingen, die Mauer zu überspringen, die sich vor seiner Rückerinnerung aufgetürmt hatte. Sein Gesicht wurde blaß vor Anstrengung und dann plötzlich traurig. Er fühlte, daß es ihm nicht gelang, die Schranke blieb verschlossen. Es war noch zu früh, es würde noch eine Weile dauern, vielleicht lange Zeit, bis er sich an alles erinnern konnte. Er öffnete die Augen und begegnete denen des Mannes.
    »Tut dir dein Kopf immer noch weh?« fragte Gordon.
    »Nein, das ist es nicht...«
    »Dann machst du dir wieder Sorgen über die Lücke in deinem Gedächtnis«, sagte Gordon. »Das ist nicht richtig, mein Lieber. Du solltest das zunächst ganz auf sich beruhen lassen; um so schneller wirst du körperlich wieder gesunden.«
    Der Junge starrte ihn an; in seinen Augen stand nackte Angst, als wenn er am liebsten gleich die Flucht ergriffen hätte. »Ich—ich—weiß gar nicht, was Sie meinen...« stammelte er.
    Gordon stand auf und sagte mit ruhiger Freundlichkeit: »Du hast mir in deinen Fieberdelirien alles erzählt. Du glaubst, die Staatspolizei von Utah suche dich, weil du an einem Raubüberfall teilgenommen hättest und dann geflüchtet wärest. Mag sein, daß das stimmt, ich weiß es nicht—aber du weißt es ja ebenfalls keineswegs sicher. Du hast eine schwere Kopfverletzung erlitten, daher kannst du dich an nichts erinnern, nicht

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