Blitz der schwarze Hengst
damit du siehst, daß ich Bescheid weiß und erkennen kann,
ob ein Pferd etwas taugt oder nicht. Und laß dir gesagt sein, aus Blitz können
wir das schnellste Rennpferd der Staaten machen!«
Henry klappte das Album zu und legte es in die
Truhe. Er stand auf und ließ die Hand auf Alecs Schulter ruhen. »Was meinst du
dazu, Junge, machst du mit? «
Alec schaute den alten Mann an und blickte durch
die offene Stalltür zu Blitz hinüber, der in der Ferne zu sehen war. »Es wäre
toll, Henry!« antwortete er. »Bestimmt würde Blitz auf der Bahn eine großartige
Leistung bieten, wenn wir ihm nur die Bösartigkeit austreiben könnten.«
»Das wird keine leichte Arbeit sein; aber sie
würde sich lohnen, wenn es uns dann vergönnt wäre, ihn durchs Ziel gehen zu
sehen.«
»Wo können wir ihn denn abrichten?«
»Vor dem Frühling läßt sich nicht viel machen;
bis dahin muß er sich hier erst einmal eingewöhnen. Du kannst ihn auf der Wiese
reiten, und ich bringe dir alles bei, was du als Rennreiter brauchst. Da der
Winter vor der Türe steht, müssen wir uns in Geduld fassen. Ich glaube, wir
sollten ihn sogar vorerst noch mit Zaum und Sattel verschonen — auch damit
wollen wir lieber bis zum Frühjahr warten. Bis dahin wird er uns keine
Schwierigkeiten machen, wenn wir sie ihm anlegen. Hernach werde ich Mittel und
Wege suchen, um ihn fürs Training auf der Rennbahn nach Belmont zu schaffen —
dort kannst du ihn dann richtig zureiten!«
»Klingt großartig, Henry! Glauben Sie wirklich,
daß ich ihn auf der Rennbahn reiten kann?«
Henry lächelte. »Wenn mich nicht alles täuscht,
wird sich Blitz von keinem andern reiten lassen.«
Als sie zur Türe gingen, ertönte das laute
Dröhnen eines Flugzeugs. »Wie tief es fliegt...«, sagte Alec. »Der Motor
scheint auszusetzen!«
Sie liefen hinaus und sahen einen Eindecker tief
über den Stall hinwegfegen; der Motor stotterte und setzte dann wieder ein, die
Stille des frühen Morgens mit ohrenbetäubendem Knattern verjagend. »Er ist
wieder in Ordnung«, sagte Henry.
Aber Alec beachtete das Flugzeug nicht mehr; durch
das Dröhnen des Motors hindurch war etwas anderes an sein Ohr gedrungen: ein
scharfer, durchdringender Schrei! Alec sah, daß sich der Hengst auf der
Hinterhand erhob und in der Luft kreiselte; im nächsten Augenblick preschte er
mit halsbrecherischer Geschwindigkeit über die Wiese.
»Schauen Sie, Henry! Blitz!« rief Alec. Der
Hengst näherte sich dem Ende der Wiese; er verringerte das Tempo überhaupt
nicht, und sein langer schwarzer Schweif fegte hinter ihm drein wie eine
Rauchwolke. »Himmel!« stieß Henry hervor. »Das Flugzeug hat ihn erschreckt! Er
wird sich bei der Mauer den Hals brechen!«
Alec vermochte kein Wort hervorzubringen.
Sie sahen, daß sich der Hengst sammelte, und
dann flog er wie eine losschnellende Feder durch die Luft und über die Mauer.
»Gut zwei Meter hoch, da will ich wetten!« rief
Henry. »Komm, wir müssen ihn holen.«
Zusammen liefen sie über die Wiese. Sie nahmen
Blitz in der Ferne wahr, doch dann verdeckte die Mauer die Sicht. Unvermittelt
blieb Henry stehen und sagte: »Ich kehre um und hole mein Auto, Alec. Lauf du
ihm weiter nach!«
»Gut«, rief Alec über die Schulter. »Er ist zum
Park hinüber.« So rasch wie möglich kletterte er über die Mauer und rannte in
der Richtung weiter, die der Hengst eingeschlagen hatte. Bald holte Henry ihn
mit dem Auto ein. »Steig ein, Junge«, sagte er.
Blitz war nirgends zu sehen.
ZEHNTES KAPITEL
Die
Suche
Eine halbe Stunde lang schauten Alec und Henry
verzweifelt nach Blitz aus. Straßauf und straßab fuhren sie in Henrys Wagen.
»Ein Glück, daß es noch so früh ist«, bemerkte
Henry. »Da sind noch nicht viele Leute unterwegs.«
»Wie spät ist es denn?« fragte Alec, der die
Straße keine Sekunde aus den Augen ließ.
Henry zog seine große silberne Uhr aus der
Westentasche. »Fast halb acht«, knurrte er.
»Wir müssen ihn finden, ehe es zu spät ist!«
stöhnte Alec.
»Was meinst du mit >zu spät « forschte Henry.
»Ich habe Angst, daß er jemand angreift und dann
von einem Polizisten erschossen wird — mein Gott, das wäre entsetzlich!«
Henry nickte und drückte den Fuß noch stärker
auf den Gashebel. Das Auto schoß dahin.
»Biegen Sie dort in die Straße ein, Henry. Da
kommen wir zum Park — vielleicht ist er dort.«
An einer Straßenecke sah Alec zwei Männer.
»Halten Sie bitte da drüben, Henry. Wir wollen die Männer fragen,
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