Blitz der schwarze Hengst
»Pscht, Blitz.« Alec streichelte ihm den Kopf.
Der Zug ruckte ein wenig, und der Hengst
scheute. »Immerhin nicht schlimmer als das Geschaukel auf einem Schiff, was?«
flüsterte Alec. Der Hengst schüttelte den Kopf. Eine Viertelstunde blieb Alec
bei ihm. Dann gab er ihm einen letzten Klaps. »Versuch nun zu schlafen, Blitz,
wir brauchen’s beide.«
Er legte sich wieder auf sein Feldbett. Er döste
vor sich hin und dachte an das bevorstehende Rennen. Dann schlug er die Augen
auf und starrte zur Decke empor. Nein, er durfte nicht mehr grübeln, er mußte
schlafen. Er richtete die Aufmerksamkeit auf das rhythmische Rattern der Räder.
Sie schienen zu sagen: »Chicago — Chicago — Chicago...« Alec fiel in Schlaf.
Am frühen Morgen wurde er von Henry
wachgerüttelt. Er und Jim waren bereits angezogen. »Wir sind gleich da«, sagte
Henry.
Verschlafen zog sich Alec an.
»Wie geht’s dir, Junge?« erkundigte sich Jim.
»Gut«, antwortete Alec.
»Wir fahren schon durch die Vorstadt«, erklärte
Henry.
»Wie weit ist es vom Bahnhof zur Rennbahn?«
fragte Alec.
»Die Fahrt dauert ungefähr drei Viertelstunden.«
Jim schaute auf seine Uhr. »Jetzt ist es halb sechs; wenn alles klappt, sollten
wir spätestens um halb sieben auf der Rennbahn sein.«
»Hoffentlich ist der Wagen pünktlich«, sagte
Henry. »Es wäre besser, wenn wir zur Rennbahn kämen, bevor dort zu viele Leute
herumwimmeln.«
Der Zug fuhr in den Güterbahnhof ein. Alec warf
Blitz die neue Decke über. Henry nahm sich des Grauschimmels an. Als der Zug
hielt, schob Jim die Waggontüre auf. Neben dem Zug knatterten Lastwagen vorbei.
»Ebenso schlimm wie in New York«, sagte Henry.
»Ich will sehen, wo der Transportwagen steckt«,
rief Jim und sprang aus dem Waggon.
Blitz wurde so unruhig, daß Alec ihn mit festem
Griff halten mußte. Henry schob Napoleon näher zu ihm. Die erschrockenen Augen
des Rappen blickten nervös durch die geöffnete Türe; doch er beruhigte sich,
als Napoleon ihn mit der Nase anstieß.
Ein Transportwagen hielt neben dem Waggon. Dann
hörte man Jims Stimme: »Fahren Sie bitte rückwärts zur Türe heran.«
Der Fahrer befolgte die Anweisung, und wenige
Minuten später konnte Alec den Rappen in den Wagen überführen. Henry folgte mit
Napoleon. Die Straßen waren so früh am Morgen noch ziemlich leer, so daß sie
mit erheblicher Geschwindigkeit zur Rennbahn fahren konnten. Sie kamen an den
Tribünen vorbei und hielten dann bei dem Eingangstor in der Nähe der Ställe.
Der Torwächter rief sie an und fragte: »Sie
wünschen?«
Jim meldete sich als Sprecher. »Ich bin Jim
Neville. Wir haben hier ein Pferd — für das morgige Rennen.«
»Ach, das geheimnisvolle Pferd?« Der Torwächter
lächelte. »Darauf warten wir schon lange!« Er machte das Tor auf. »Nehmen Sie
irgendeine Box, die Ihnen paßt«, rief er ihnen zu. »Nur nicht zu nahe bei
Donnerkeil und Zyklon.« Er lachte schallend und fügte hinzu: »Oder vielleicht
doch in der Nähe, denn morgen werden Sie ihnen nicht mehr nahe kommen! Hahaha!«
»Ein Spaßvogel, was?« bemerkte Jim.
»Er wird seinen Ton noch andern«, gab Henry
zurück.
Alec spähte rückwärts durchs Fenster. Blitz’
Kopf lag auf Napoleons Hals.
Bald darauf hatten sie Blitz in seiner Box
untergebracht. Napoleon kam in eine Box daneben. Die Rennbahn schien in der
Stille des frühen Morgens verlassen zu sein.
»Wahrscheinlich haben Besucher keinen Zutritt«,
mutmaßte Alec.
»Zyklon und Donnerkeil müssen weiter oben sein«,
sagte Henry. »Die Trainer und die Stallknechte werden sich schon rühren, sowie
sie hören, daß wir angekommen sind.«
»Und man wird die Presseleute heute nicht von
hier weghalten können«, erinnerte Jim.
»Jedenfalls müssen wir sie von Blitz
fernhalten«, erwiderte Henry. »Wer weiß, was sonst geschieht.«
Alec und Henry betätigten sich emsig im Stall,
um es dem Rappen und dem Grauschimmel bequem zu machen. Schwämme, Tücher und
Striegel wurden ausgepackt. Derweil machte sich Jim auf, Zyklon und Donnerkeil
zu besichtigen.
Henry hörte Stimmen, und als er von seiner
Beschäftigung aufblickte, sah er eine kleine Menschenmenge herbeistreben. »Da
kommen sie«, sagte er zu Alec. »Offenbar ist die Morgenarbeit mit Zyklon und
Donnerkeil schon erledigt.«
Henry ging den Leuten entgegen, während Alec bei
Blitz zurückblieb. »Guten Morgen«, grüßte er.
»Wir kommen, um das Wunderpferd zu besichtigen.«
Der Sprecher lachte.
»Nevilles Aberwitz«, fügte ein
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