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Blitz: Die Chroniken von Hara 2

Blitz: Die Chroniken von Hara 2

Titel: Blitz: Die Chroniken von Hara 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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fehlt.
    Die beiden warten schweigend ab, was ich tun werde. Irgendwann verliert Yola die Geduld, schlägt verärgert mit den Flügeln und klaubt die Karten zusammen.
    »Wenn du meinst, dass du den Wind des Chaos gepackt hast, dann irrst du dich. Aber glaub mir, bald, sehr bald schon, zieht ein Sturm herauf. Und dem kannst du nicht entrinnen.«
    Daraufhin wirft Yola die Karten in meine Richtung, doch ein jäh aufkommender, heißer Wirbel erfasst sie und trägt sie durch den Raum. Eine landet vor meinen Füßen. Ich hebe sie auf. Es ist der Dieb. Nur sieht die Figur auf der Karte genauso aus wie Garrett.
    »Das ist nicht die Karte, die du finden solltest!«, bemerkt Yola mitleidig, und die Welt birst wie ein gewaltiger Spiegel in tausend Splitter und …
    Ich irre durch Nebel. Er frisst alle Geräusche und hängt mir wie ein undurchdringlicher Vorhang vor den Augen. Als es mir endlich gelingt, aus ihm herauszufinden, hat sich bereits die Nacht herabgesenkt. Es ist kalt. Den klaren, tiefen Himmel sprenkeln Sterne. Der Vollmond taucht alte, mit mickrigem Heidekraut bewachsene Hügel, ungepflegte Gräber und einen rissigen Pfad in sein Licht. Der riesige Friedhof endet vor einem finsteren Wald, der wie ein dorniger Pfahlzaun wirkt.
    Der Friedhof jagt mir Angst ein. Es ist ein gefährlicher, ein unangenehmer Ort. Den sollte ich möglichst weit hinter mir lassen. Aber wohin ich mich auch wende, überall erwartet mich der gleiche Anblick: ein Pfad, Gräber und am Horizont ein dunkler Wald. Mir bleibt nichts, als dorthin zu gehen, wohin der Weg mich führt.
    Der erste Schritt ist schleppend, als watete ich durch einen Sumpf. Danach wird es leichter. Als schöbe mich jemand von hinten an. Angesichts der alten Gedenksteine, der gespaltenen Granitplatten und der aufgewühlten Gräber bedauere ich, keine Waffe bei mir zu tragen. Damit würde ich mich weitaus sicherer fühlen.
    Als ich an einer Gruft mit einem beschädigten Wasserspeier am Eingang vorbeikomme, meine ich, hinter mir eine Bewegung wahrzunehmen. Ich fahre herum, doch da ist niemand, nur ein leerer Pfad im Mondlicht. Aber keine Menschenseele. Keine Bewegung. Alles liegt still und ruhig, abgesehen von den Zweigen eines kahlen Hagebuttenstrauches, die ganz sacht wippen. Als habe sie gerade eben jemand gestreift.
    Ich bleibe wie angewurzelt stehen, obwohl alles in mir brodelt und ich mich bereithalte, bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr davonzustürzen. Mit nackten Händen gegen diejenigen zu kämpfen, die seit Langem tot sind, das wäre Wahnsinn. Gelinde gesagt.
    Gut, vielleicht hat ja tatsächlich nur der Wind den Strauch bewegt. Aber was, wenn nicht? Die Zeit verstreicht unendlich langsam. Mein Herz rast, das Blut rauscht mir in den Ohren.
    Aber da ist wirklich niemand. Kein Lebender, kein Toter. Dennoch spüre ich mit allen Sinnen eine nahende Gefahr. Der Nebel zieht auch wieder auf. Wie ein Spion schleicht er an die Hügel heran, fällt über sie, begräbt sie unter sich, klettert bis zu ihren Spitzen und nähert sich bereits dem Friedhof, um auch diesen einzuhüllen.
    Schlecht. Wenn ich dem Nebel nicht davonlaufe, muss ich blind durch diese unwirtliche Gegend stapfen. Dann wäre ich hilflos wie ein Nestjunges. Und eine leichte Beute.
    Die ersten, noch scheuen silbrigen Ströme schlängeln sich bereits zwischen den Grabplatten hindurch. Ich renne so schnell ich kann zum Wald, zugleich aber achtsam, denn es bringt wenig Freude mit sich, in ein offenes Grab zu fallen und sich die Knochen zu brechen. Als ich die Bäume erreiche, ist fast der gesamte Friedhof in weißen Nebel getaucht.
    Ich muss unbedingt weiter. Der Pfad ist zum Glück noch vorhanden, nur schmaler, fast wie ein Faden. Er führt mich an schlummernden Hainbuchen und einem trägen, mit verfaulten Blättern bedeckten Bach vorbei an den Waldrand. Hier ziehen sich die schmalen, mit gespaltenen Steinen gepflasterten Straßen einer Stadt dahin.
    Die Dabber Glatze.
    Die Stadt scheint tot, verlassen, nirgendwo ist eine Menschenseele zu sehen. In den Fenstern brennt kein Licht, auf den Höfen bellt kein Hund. Die Türen in den Häusern fehlen, die Fensterläden hängen schief in den Angeln. Abermals bedaure ich, keine Waffe dabei zu haben …
    Ich komme auf den Platz, auf dem früher der Markt abgehalten worden ist. Die Stände fallen einer gierigen purpurroten Flamme zum Opfer, die so hoch wie ein einstöckiges Haus aufzüngelt. Nur dass das Feuer keine Hitze ausstrahlt, sondern eine solche Kälte

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