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Blitz: Die Chroniken von Hara 2

Blitz: Die Chroniken von Hara 2

Titel: Blitz: Die Chroniken von Hara 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Als ich mich behutsam aus ihrer Umarmung befreite, seufzte sie leise, schlief aber weiter.
    Es war schon recht spät, der Himmel bereits durchscheinend, ein Vorbote des Herbstes. Die Sonne strahlte hell in den Ring aus Felsen hinein. Shen saß am Rand unseres Rastplatzes und warf kleine Steine in die Tiefe.
    Als er meine Schritte hörte, meinte er amüsiert: »Ihr habt einen gesunden Schlaf. Ich hätte nie gedacht, dass Gijanen wie Kleinkinder schlummern.«
    »Dir auch einen guten Morgen«, antwortete ich grinsend und setzte mich so neben ihn, dass ich die Beine über dem Abgrund baumeln lassen konnte.
    Von hier oben wirkte die Bucht kreisrund und in zahllose Blautöne getaucht: hellblau, fast türkis im flachen Uferbereich, dunkelblau in der Tiefe.
    »Hast du keine Angst zu fallen?«, fragte Shen.
    »Nein. Du?«
    »Schon«, gab er zu meiner Verwunderung zu. »Aber nachdem ich mit Typhus auf diesem Flatterer geflogen bin, ist das …«, er deutete mit der Hand auf den Abgrund, »… längst nicht mehr so furchteinflößend. Trotzdem würde ich die Beine nicht über dem Abgrund baumeln lassen.«
    »Das ist eine Frage der Übung.«
    »Und wo hast du das geübt?«, hakte er nach, wobei er möglichst beiläufig klingen wollte, was ihm jedoch nicht gelang. »Wenn es kein Geheimnis ist.«
    »Im Sandoner Wald natürlich«, antwortete ich. »Genauer gesagt, in einem Teil der Buchsbaumberge, der damals den Spitzohren gehörte. Da hatte ich während des Krieges genug Zeit zum Üben. Zweimal musste ich eine Felswand erklimmen, die sechsmal so hoch war wie diese hier. Wenn du das überlebst, verlierst du jede Höhenangst.«
    »Komisch«, bemerkte Shen ungläubig. »Ich dachte immer, in den Bergen hätte es gar keine Kämpfe gegeben. Alles hätte sich weiter nördlich abgespielt.«
    »Sag das mal denjenigen, die für immer auf den Pässen, in den Bergflüssen und in den Schluchten geblieben sind. Was weißt du denn überhaupt von dieser Zeit?«
    »Also …«, druckste er, »von Kämpfen in Schluchten habe ich ehrlich gesagt noch nie etwas gehört.«
    »Kein Wunder. Große Schlachten wurden da natürlich nicht ausgetragen, alles andere aber im Übermaß. Die Spitzohren wollten unser Land in Blut ertränken, wir das ihre. Deshalb gab es in jenem Teil der Buchsbaumberge einen kleinen, wenig bekannten Krieg.«
    Shen dachte lange nach, seufzte und fing wieder an, Kiesel in die Tiefe zu werfen. Ein paar Minuten lang beobachtete ich, wie die Steine ins Wasser fielen. Inzwischen stand die Sonne so hoch, dass ich die Augen zusammenkneifen musste. Ein kleines Sonnenbad würde mir guttun. Und Lahen würde ich auf keinen Fall wecken. Uns stand ein langer Weg bevor, wer weiß, wann wir das nächste Mal in aller Ruhe ausschlafen konnten.
    Wir blieben noch über eine Stunde sitzen, wobei ich über den sichersten Weg ins Regenbogental nachdachte. Meiner Ansicht nach sollten wir uns zunächst zur Straße durchschlagen. Mit etwas Glück würden wir dort ein paar Pferde auftreiben. Danach würden wir uns wieder in die Steppe zurückziehen und immer nach Norden halten. Damit durften wir vermutlich auf eine ruhige und friedliche Zeit hoffen. Irgendwann müssten wir allerdings wieder auf die Straße, da wir andernfalls am Regenbogental vorbeiritten.
    Während ich all das im Kopf durchspielte, begrub Shen die Bucht allmählich unter Steinen. Offenbar konnte er nicht genug von der sinnlosen Werferei bekommen. Als er meinen amüsierten Blick auffing, lächelte er verlegen. »Das beruhigt mich.«
    »Ich sag ja gar nichts. Mich würde nur interessieren, was du in einem Fall von Nervosität unternimmst, wenn du zu Hause bist. Schmeißt du dann vom Dach aus mit Steinen nach allen, die vorbeigehen?«
    »Nein«, antwortete er lachend. »Dann schieße ich mit dem Bogen.«
    »Du willst mich auf den Arm nehmen?«
    »Keinesfalls.«
    »Dieser Morgen steckt doch voller Überraschungen«, sagte ich. »Wie gut bist du? Wenn du die Frage gestattest.«
    »Also …«, brachte er heraus und kratzte sich den Nacken. »Längst nicht so gut wie du. Mit der Armbrust geht es etwas besser … aber ich liebe nun mal den Bogen.«
    »Das würde ich mir gern mal ansehen«, sagte ich. »Gibst du mir eine Kostprobe?«
    »Aber nicht jetzt«, entgegnete er. »Und nicht mit deinem Monster von Bogen. Mit so einem Ding habe ich noch nie geschossen. Ich glaube, damit könnte ich nicht mal richtig zielen.«
    »Im Vergleich zu den Bögen der Ascheseelen ist meiner das reinste

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