Blitz: Die Chroniken von Hara 2
kommst du darauf, dass sie ihre Kraft eingebüßt hat?«, fragte Shen verwundert.
»Nicht die ganze Kraft, nur einen Teil. Ansonsten hätte ich ihr nicht so mühelos etwas entgegensetzen können.«
»Mühelos?!«, knurrte ich. »Danach bist du völlig zusammengebrochen!«
»Dann kannst du dir ausmalen, was mit mir geschehen wäre, wenn Typhus ihre ganze Kraft zur Verfügung gestanden hätte«, erwiderte Lahen. »Nein, nur solange sie noch im Körper von Pork steckt, habe ich eine Chance gegen sie.«
»Solltet ihr beiden Schlauberger übrigens glauben, ihr wäret Typhus los, nur weil ihr es geschafft habt, Alsgara zu verlassen, irrt ihr euch gewaltig. Sie wird weder von dir, Lahen, noch von mir ablassen. Nein, es gibt nur eine Möglichkeit, die Verdammte loszuwerden: Man muss sie umbringen.«
»Nur ist das so einfach nicht.«
»Ich weiß. Aber ich weiß auch, dass sie sich nicht ins Regenbogental traut. Genauso wie sie sich nicht in den Turm getraut hat. Deshalb müssen wir die Schule der Schreitenden unbedingt erreichen, bevor Typhus am Horizont auftaucht.«
»So schnell findet sie uns nicht«, sagte ich. »Wir haben etliche Tage Vorsprung. Selbst wenn Typhus es auch noch aus Alsgara heraus geschafft hat, braucht sie ewig, um in die Bluttäler zu gelangen. Und die sind nun mal kein Dorf. Es dürfte also nicht gerade leicht für Typhus werden, uns hier aufzuspüren.«
»Du scheinst vergessen zu haben, dass sie keine gewöhnliche Frau ist«, meinte Shen unter schallendem Gelächter. »Sie ist eine Verdammte. Eine von denjenigen, die den Dunklen Aufstand angezettelt haben! Sie hat bereits fünfhundert Jahre auf dem Buckel, Ness! Du solltest davon ausgehen, dass sie sich zu helfen weiß. Sie hat dich in diesem vermaledeiten Nest gefunden. Sie hat mich in Alsgara entdeckt. Und ich würde hundert Soren wetten, dass sie uns auch hier in den Bluttälern aufspürt!«
»Da würde dir niemand widersprechen«, bemerkte Lahen. »Aber immerhin arbeitet die Zeit für uns. Auch wenn unser Vorsprung größer sein könnte.«
Shen seufzte nur schicksalsergeben und machte sich daran, den Umhang auf dem Gras etwas abseits der Feuerstelle auszubreiten. »Erinnerst du dich noch an unser Gespräch in der Dabber Glatze?«, wandte er sich an Lahen, sobald er sich hingelegt hatte. »Ich habe dich damals gefragt, wie viele Tote du zum Leben erwecken kannst.«
»Und ich habe dir geantwortet, dass ich das überhaupt nicht kann.«
»Das habe ich nicht vergessen«, antwortete er grinsend.
»Aber du hast mir nicht geglaubt«, fuhr Lahen fort.
»Natürlich nicht! Und jetzt glaube ich dir erst recht nicht. Wie sollte die Schülerin Ghinorhas außerstande sein, die Toten zum Leben zu erwecken … Also: Du kannst es doch, oder?«
»Ich weiß, wie man es macht«, antwortete sie.
»Das habe ich vermutet. Damals habe ich dir gesagt, dass Typhus in Hundsgras an dir gescheitert wäre, wenn du mit ihrem Angriff gerechnet hättest. Du hast das als Hirngespinst abgetan. Doch auch da habe ich meine Zweifel gehabt. Und wieder zu Recht. Du bist weitaus stärker, als du es zugeben möchtest. Vor allem aber wesentlich erfahrener und beschlagener. Bei eurer zweiten Begegnung hast du Typhus schlicht und ergreifend in die Flucht geschlagen. Wer darf sich schon eines solchen Sieges rühmen?«
»Dir gefällt dieses Hirngespinst wirklich zu gut, was?«, antwortete Lahen lächelnd. »Außerdem vergisst du schon wieder, dass Typhus zurzeit nicht uneingeschränkt über ihren Funken gebietet. Aber selbst jetzt ist sie keine leichte Gegnerin. Und so ungern ich das auch einräume, aber Ceyra Asani scheint recht zu haben: Ghinorha muss in meine Gabe Zauber eingeflochten haben, von denen ich bislang noch nicht einmal eine Ahnung hatte. Ich erinnere mich kaum daran, was genau ich gemacht habe, als ich Typhus angegriffen habe. Es war, als hätte nicht ich über meinen Funken geboten, sondern mein Funke über mich. Abgesehen davon bin ich mir sicher, dass Typhus uns alle längst getötet hätte, wenn das ihr Wille gewesen wäre. Aber sie braucht uns offenbar lebend. Doch, wie bereits gesagt, wir sind ihr entwischt und haben einen Vorsprung von ein paar Tagen, den wir jetzt noch ausbauen werden.«
»Mhm,
zu Fuß
ausbauen«, murmelte Shen. »Bis wir das nächste Dorf erreicht haben und uns Pferde beschaffen können, laufen wir uns die Füße wund.«
»Du kannst die Wunden ja notfalls heilen.«
»Bin ich etwa verpflichtet, jeden Kratzer von dir zu
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